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dieser erstens die Mühlsteine wirklich zu schleudern vermag, und zweitens bald genug zur Erkenntniss seines thörichten Beginnens kommt. Sagt er doch selber von sich:

Da steht der Knabe, schamroth und ausgehöhnt vor dem Auge des Himmels, der sich anmasste, mit Jupiter’s Keule zu spielen, und Pygmäen niederwarf, da er Titanen zerschmettern sollte.

Karl, in dem der Dichter seine eigene Subjectivität wie nirgend anders niederlegt, ist in dem, was er uns von seinem innern Leben sagt, bereits voll jenes hohen Sinnes, jener Verachtung alles Gemeinen und Niedrigen, die der entschiedenste Charakterzug der Schiller’schen Muse bleibt, derjenige, der sie auf allen ihren sonstigen Umwandelungen unverändert begleitet; wie die Studenten- und spätere Räuberwirthschaft im Stück geschildert wird, das zeugt von einer plastischen Kraft, die uns dieselbe lebendig werden und im Gedächtniss eingegraben bleiben lässt. Trotzdem, dass wir Karl’s Irrthümer beständig tadeln oder selbst belächeln, so fesselt uns das Heroische im Charakter desselben doch. Er sieht in seinem Unmuth nur die Schattenseite der Dinge, aber diese trefflich, wie wir aus seiner echt studentischen Schilderung des Jahrhunderts, weiter aus der Aeusserung sehen, dass „das Gesetz noch nie einen grossen Mann gebildet“. Dass die grossen Männer aber dazu da sind, die Gesetze zu machen, nicht sie zu zerstören – das pflegt man mit zwanzig Jahren und einer glühenden Seele eben noch nicht so genau zu wissen!

Schlechte Dichter sagen uns, ihr Held sei geistreich, bedeutend, gross, während er die gewöhnlichsten Dinge vorbringt; Schiller’s Karl ist es wenigstens bis zu einem gewissen Grade wirklich, in allem was er äussert, spricht sich jedenfalls ein ungewöhnlicher Mensch aus, trotz der Ueberschwenglichkeit, trotz seines Irrthums, ja selbst trotz des schwülstigen Pathos, in das er alle Augenblicke zurückfällt.

Wenn ihn aber der Dichter diesen Irrthum vollkommen erkennen und aussprechen lässt:

O über mich Narren, der ich wähnte, die Welt durch Greuel zu verschönern und die Gesetze durch Gesetzlosigkeit aufrecht zu halten!
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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)