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kann ihn abschleifen, zerbröckeln, niemals aber seinen Werth erhöhen, und wenn sie ihn auch über und über in Gold fasste, während jener erst durch sie zu seiner rechten Bedeutung kommt.

Man kann sich daher nicht wundern, wenn wir die Persönlichkeit des Dichters als eine so ganz andere beim Anfang seiner Laufbahn sehen, als wir sie bei erlangter Reife nach der Läuterung eines reichen innern und äussern Lebens wiederfinden. Da diese die erhabenste und Ehrfurcht einflössendste, nachdem sie sich siegreich durchs Leben durchgerungen, so kann es uns nur um so mehr interessiren, sie bis in ihre Anfänge bei der ersten gewaltigen Aeusserung zu verfolgen, wie sie uns in den „Räubern“ vorliegt.

„Im Anfang war die Kraft“, muss man hier, wie in der Bibel, sagen, wo wir sie sofort den Kampf mit der ganzen Weltordnung aufnehmen und in der energischsten Weise durchführen sehen, soweit ihr eben diese Welt erreichbar und bekannt geworden. Dass das nur ein sehr kleines Stück ist; dass Karl mit seiner grossen Natur nichts anderes zu thun weiss, als aus innerer Empörung gegen das „tintenklecksende Säculum“ in die Wälder zu gehen, Räuberhauptmann zu werden und sich mit der Polizei herumzuschlagen, dieses kindische Misverhältniss zwischen der Absicht, die er hat, und den Mitteln, die er zu ihrer Erreichung wählt: – das zeigt uns besser als alles, wie so etwas nur auf den staubigen Bänken der Karlsschule reifen konnte!

Die unwiderstehliche Wirkung, die er auf die damalige Jugend ausübte, wird uns aber durch das ausserordentliche Talent erklärt, welches der Dichterjüngling an die Erreichung dieses bizarren Ziels wendet. Gleicht Karl in seiner tollen Jagd auf die dicken Pfaffen und reichen Pächter durchaus jenem Riesen, der mit Mühlsteinen nach Spatzen warf, und malt uns damit deutlicher als alles den engen Horizont des Dichters, der vorläufig nur – von Stuttgart bis Ludwigsburg ging, so begreift man das Entsetzen, welches den welterfahrenen Goethe bei solch unbändigem Gebaren anwandeln musste, wie den Jubel der Jugend, der dieses Studententhum so aus der Seele geschrieben war, und die sich von Karl blos dadurch unterschied, dass

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)