Seite:Schiller-Galerie.pdf/411

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

beschränkten Mittel eines nachgeborenen Prinzen, sodass die Stellung einem glänzenden Elend durch die grosse Abhängigkeit vom Throne nur noch mehr gleichkommt, so ist tiefer Ernst, ja Hang zur Melancholie bei einem schwerblütigen, leidenschaftlichen, anhänglichen und vertrauenden Charakter nur zu erklärlich. Die Unselbständigkeit der Bildung aber, wie die Leere, die durch den Ueberfluss an Zeit, den Mangel aller nützlichen Beschäftigung entstehen müssen, tragen gleich sehr dazu bei, den Hang zum Wunderbaren und Ungewöhnlichen zu steigern; Wunder zu sehen und anzunehmen ist so viel leichter und angenehmer, als die wirklichen Gesetze der Natur und des Lebens zu studiren, besonders wenn man eine indolente, langsame, wenn auch hartnäckige Natur besitzt. In solchem Fall hat man sogar, im Bewusstsein schlechter Beobachter zu sein, eine Art Abneigung vor der Realität, ein tiefes Verlangen, das Uebernatürliche zu sehen, – das heisst getäuscht zu werden. So geht denn auch unser Prinz ohne viel Bedenken auf die Lockungen des Armeniers und des von jenem inspirirten Sicilianers ein, bei dessen Beschwörungsscene ihn uns der Künstler vorführt und uns seine natürliche Unerschrockenheit, die Kälte bei vermeintlicher Gefahr zeigt. Der gesunde Menschenverstand, den er hinterher in Beurtheilung dieser Täuschungen offenbart, ist doch nur sehr relativ, da er von Haus aus so viel Bereitwilligkeit zeigt, etwas Uebernatürliches zu glauben.

Der Mangel einer tiefern Religiosität tritt hier auffallend zu Tage, den Protestantismus hat der Prinz nur von der dürren und finstern, fanatischen Seite her kennen gelernt, die in den Werken der Kunst nichts als Verlockungen des Teufels, im Leben nichts als eine Vorbereitung zum Sterben sieht. Es ist kein Wunder, wenn dieses Gemälde ihn nicht angezogen.

Die ersten Täuschungen, die wir seinen Wunderglauben erfahren sehen, wie der Stolz auf ihre Entdeckung führen ihn mit einer gewissen Nothwendigkeit zum Unglauben, die sich beide bekanntlich gar nicht so schlecht miteinander vertragen, sondern sehr oft eine alternirende Herrschaft über den Menschen üben. Die Freigeisterei

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/411&oldid=- (Version vom 1.8.2018)