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Zu zeigen. – Aber muss sie denn die Prinzen
Just köpfen lassen, die nicht sinnreich gnug
Für ihre Räthsel sind? – Das ist ja ganz
Barbarisch, rasend, toll und unvernünftig.
Wo hat man je gehört, dass man den Leuten
Den Hals abschneidet, weil sie schwer begreifen?
 Truffaldin.
Und wie, du Schafskopf, will sie sich der Narren
Erwehren, die sich klug zu sein bedünken,
Wenn weiter nichts dabei zu wagen ist,
Als einmal sich im Divan zu beschimpfen?
Auf die Gefahr hin, sich zu prostituiren
Mit heiler Haut, läuft jeder auf dem Eis.
Wer fürchtet sich vor Räthseln? Räthsel sind’s
Gerad’, was man fürs Leben gern mag hören.
Das hiess’ den Köder statt des Popanz’s brauchen.
Und, wäre man auch wegen der Prinzessin
Und ihres vielen Gelds daheim geblieben,
So würde man der Räthsel wegen kommen.
Denn jedem ist sein Scharfsinn und sein Witz
Am Ende lieber als die schönste Frau!

Können nun die Eigenschaften, die zur Lösung der gestellten Aufgabe führen, wohl für den Besitz eines Throns würdig machen, so reichen sie doch offenbar nicht aus, ihrem Herzen zu genügen, da ja wol ein kluger und muthiger, aber nichtsdestoweniger liebloser, lediglich ehrgeiziger Mann sie auf diese Weise gewinnen könnte. Es ist die jähe Ahnung dieses Fehlers in ihrem Calcul, welche sie mit solchem Entsetzen erfüllt, als Kalaf erscheint und ihrer Weisheit spielend Meister wird; diese Ungewissheit, ob ihr denn auch der höchste und einzige Preis, der für Liebe gezahlt werden kann: die Gegenliebe, sicher sei, sie ist es, welche sie zum Aeussersten, zur Raserei treibt.

Diese Angst wird noch gesteigert, da sie in sich selber eine Stimme vernimmt, die lebhaft für ihn spricht, die Macht fühlt, welche dieser Fremdling sofort über sie ausübt; sagt sie doch bei seinem Erscheinen gleich:

 Noch keiner trat
Im Divan auf, der dieses Herz zu rühren
Verstanden hätte. Dieser weiss die Kunst.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/388&oldid=- (Version vom 1.8.2018)