Seite:Schiller-Galerie.pdf/381

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

er dem Tell setzt, entspricht mehr oder weniger dem wilden und rohen, aber auch abenteuerlichen Charakter der Zeit; es bezeichnet den Hohn, mit dem die Aristokratie auf den Plebejer niederzuschauen pflegte. Der despotische Instinct ist ebenfalls vortrefflich gekennzeichnet, wenn der Landvogt das uralte germanische Recht der Freien aus dem Bauern- und Bürgerstande, Waffen zu tragen, bestreitet, was alle Despoten von jeher thaten:

Dies stolze Recht, das sich der Bauer nimmt,
Beleidiget den höchsten Herrn des Landes.
Gewaffnet sei niemand, als wer gebietet.

Die immer grössere Steigerung des Uebermuths und des Despotismus, welche mit Naturnothwendigkeit durch die Opposition herbeigeführt wird, die seine Gebote zuerst nur bei einzelnen furchtlosen Naturen finden, die dann gewöhnlich als Opfer der Uebermacht fallen und nun erst nach und nach die Masse mit dem Gedanken des Widerstandes vertraut machen und durch ihr opfermuthiges Vorangehen denselben zuletzt allemal mit Sicherheit bei einem noch gesunden und kräftigen Volk zum allgemeinen, zum Kampf auf Leben und Tod steigern, muss so entweder die Tyrannei zu ihrem eigenen Todtengräber machen, oder das besiegte Volksthum in ein gefühlloses Helotenthum herunterwürdigen, dessen selbständiges Leben geknickt ist. Dass einem solchen nichts Gesundes mehr entspriessen kann, dass in ihm keine der Blüten des menschlichen Geistes in Poesie und Kunst mehr fortkommt, kein Fortschritt selbst der Wissenschaft mehr denkbar sei, dass daher für jeden, der nicht auf die Hoffnung der Erreichung des schönen Ziels der Menschheit verzichten wolle, der Widerstand gegen Willkür die erste Mannespflicht sei, – das hat uns der Dichter in seiner Schilderung des einfachen Lebens und der ursprünglichen unentwickelten Zustände eines Hirtenvolks mit hinreissender unsterblicher Wahrheit für alle Zeiten gepredigt.



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/381&oldid=- (Version vom 1.8.2018)