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Ein allzu milder Herrscher bin ich noch
Gegen dies Volk – die Zungen sind noch frei,
Es ist noch nicht ganz, wie es soll, gebändigt –
Doch es soll anders werden, ich gelob’ es,
Ich will ihn brechen diesen starren Sinn,
Den kecken Geist der Freiheit will ich beugen.

Diese Lehre des unbedingten Gehorsams, das Mittel der Unbequemlichkeit um ihn zu prüfen, der Frechheit auf der Seite der Unterdrückten und der zu grossen Milde auf der der Unterdrücker: sind es nicht die Maximen und die Dialektik des Despotismus von je gewesen? Wir werden schwerlich irren, wenn wir annehmen, dass der Landvogt ein Mensch ist, der, lange in untergeordneten Stellen lebend, erst selber mishandelt und mit Hochmuth über die Schultern angesehen worden ist, bis es ihm gelang sich auf seinen jetzigen Posten zu schwingen und sich für die Misachtung, die dem immerhin fähigen und intelligenten Mann früher in reichlichem Theile von den Höherstehenden zu Theil geworden, durch ein verdoppeltes Gefühl seiner Wichtigkeit und durch das dreifache Mass von Hohn gegen die jetzt unter ihm Stehenden auszugleichen. Niemals wird unser Selbstgefühl beleidigt, ohne dass wir es rächen und uns eine Genugthuung verschaffen könnten, wie dies bei subalternen Beamten, ja bei Soldaten so oft der Fall ist, ohne dass es nicht eine fressende Wunde in dem Verletzten zurückliesse, die allmählich sein ganzes Inneres vergiftet und tückisch macht. Ebenso richtig durfte daher auch der psychologische Hergang in der Seele dieses Wütherichs motivirt erscheinen, wenn uns gezeigt wird, wie, als das schlechte Gewissen den Landvogt dazu bringt sich vor Tell erst einmal zu fürchten – etwas, was ohnehin kein Mann dem Gegenstand dieser Furcht verzeiht, um so weniger ein rachsüchtiger Tyrann –, der Weg zu der unerhörten Willkür und Grausamkeit, mit der er ihn nachher behandelt, um sich für den Schreck schadlos zu halten, vollkommen gebahnt ist.

Besonders eigenthümlich und echt mittelalterlich fällt noch der humoristische Zug Gessler’s in die Augen: er fühlt sich behaglich und zum Scherzen geneigt in seiner Rolle als Tyrann, ein sicherer Beweis, dass er es aus Naturell, nicht blos aus Reflexion ist. Das Ziel, das

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/380&oldid=- (Version vom 1.8.2018)