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leichter zu ihnen zurückkehrt. Wenn sie dem Irregeleiteten daher mit der vernichtenden Kraft der Wahrheit bei seinen Liebesbetheuerungen das einfache Dilemma entgegenhält:

Dürft Ihr von Liebe reden und von Treue,
Der treulos wird an seinen nächsten Pflichten? . . . .
Mich denkt Ihr auf der Seite des Verraths
Zu finden? Eher wollt’ ich meine Hand
Dem Gessler selbst, dem Unterdrücker schenken,
Als dem naturvergessnen Sohn der Schweiz,
Der sich zu seinem Werkzeug machen kann! . . . .
Gibt’s schönre Pflichten für ein edles Herz
Als ein Vertheidiger der Unschuld sein,
Das Recht der Unterdrückten zu beschirmen? . . . .
Ihr aber, den Natur und Ritterpflicht
Ihm zum geborenen Beschützer gaben,
Und der’s verlässt, der treulos übertritt
Zum Feind und Ketten schmiedet seinem Land,
Ihr seid’s, der mich verletzt und kränkt –

so ist die Logik ihrer Gründe derart, dass ihr kaum ein Jünglingsgemüth widerstehen kann. Der gerade edle Sinn des Mädchens zerreisst wie ein Spinnengewebe die schwächlichen Gründe, die er ihr entgegenhält, wenn er einwendet, wie so viele es auch zur Napoleonischen Zeit ähnlich sagten:

Will ich denn nicht das Beste meines Volks?
Ihm unter Oestreichs mächt’gem Scepter nicht
Den Frieden –?

Bertha ist eine echte, frische Alpenrose, sie ziert sich nicht mit dem Bekenntniss ihrer Neigung, sie wirft es dreist in die Wagschale, um den Jüngling hinüberzuziehen:

 Rudenz.
Bertha! Ihr hasst mich, Ihr verachtet mich!
 Bertha.
Thät’ ich’s, mir wäre besser. – Aber den
Verachtet sehen und verachtungswerth,
Den man gern lieben möchte! –

Und dass sie ihn wirklich liebt, dafür bürgt uns die Ungeduld, mit der sie es erträgt, ihn verachten zu sollen. Nichts aber wirkt

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/372&oldid=- (Version vom 1.8.2018)