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zu besprechen, Pompejus und Cäsar dann leise antippt, von ihnen sich den Portugiesen und ihren Verdiensten um die Geographie zuwendet, dann neue französische Romane die Revue passiren lässt – und mit Mirabeau schliesst.

Trotz dieser Mosaik von Vorstellungen wird aber die beginnende Reife ihres natürlichen Geistes, im Sonnenschein der Liebe eines so hochgestellten Mannes, uns bald durch eine Menge feiner und überraschend eigenthümlicher Bemerkungen und Gedanken sichtbar, von denen früher nichts zu merken war, ehe ihr der Ernst des Lebens klar wurde. So sagt sie einmal: „Die Freundschaft, die blos die angenehmen Dinge theilen mag, ist eigennützig“; ein andermal: „Das Herz findet bei wenigem etwas, der Verstand aber bei vielem.“ – „Man sollte die Gewohnheit als eine der wohlthätigsten Göttinnen verehren.“ – „Man gewinnt unstreitig mehr dadurch, seine Ideen andern mitzutheilen, als sie blos mit sich herumzutragen, denn durch die Mittheilung erhalten sie mehr Klarheit und Bestimmtheit.“

So geht es in anmuthigster Weise fort; wie ihr Urtheil über die Dinge richtiger wird, so wird es auch über die Menschen auffallend feiner, und wir begreifen gut, mit welcher Freude Schiller einmal diese Fortschritte als die Früchte seiner Aussaat stolz und glücklich in Anspruch nimmt. Schiller hat im Herbst 1788 in Jena seine Professur der Geschichte angetreten und dies verhindert im nächsten Sommer ein längeres Beisammensein, die Freunde treffen sich blos in Lauchstädt einige Tage und später wieder in Weimar; hier kommt’s endlich zur Erklärung, und von da an erhielt der Briefwechsel eine Lebhaftigkeit und Wärme, die uns oft innig rührt, da sie uns den grossen Dichter von der menschlich zartfühlendsten, liebenswürdigsten Seite zeigt. Auch bei Lotte tritt jetzt allmählich die Leidenschaft, die grenzenloseste, hingebendste Liebe ausschliesslich in den Vordergrund, verdrängt alle andern Gedanken bei ihr, sodass selbst der Leser des Briefwechsels es als eine hohe Genugthuung empfindet, wenn er beim Schlusse desselben erfährt, dass jetzt die Liebenden am Ziele ihrer Wünsche, am endlichen Schlusse einer Verbindung angelangt

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/36&oldid=- (Version vom 1.8.2018)