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Und ich bin auch dabei gewesen, Mutter!
Mich muss man auch mit nennen. Vaters Pfeil
Ging mir am Leben hart vorbei, und ich
Hab’ nicht gezittert.

Gewiss ist das Bild des kernigen Jungen, wie es Schiller zeichnet, von einer Frische und Echtheit, er ist ein so naturwüchsiges Kind seiner rauhen und doch so poetischen Heimat, dass durch seine Schilderung derselbe Hauch kräftiger, würziger Alpenluft zieht, den der Dichter durch das ganze Stück mit so unübertrefflicher Meisterschaft zu verbreiten gewusst hat. Diese starke lokale Färbung, die alles im „Tell“ trägt, die mit gleichem Glanz das Gemälde der Natur, das in so wunderbarer Pracht vor uns aufgerollt wird, wie die Menschen belebt, die sich von ihrem grossartigen Hintergrund abheben, und sie so wahr, so energisch und glaubwürdig erscheinen und zugleich so eng miteinander verbunden, so durchaus voneinander bedingt sein lässt: sie ist wol der höchste Reiz des Stücks, und der Dichter entfaltet in ihr eine Gabe realistischer Darstellung, die das idealisirende Pathos früherer Stücke an poetischem Werth weit übertreffen möchte. Die Macht, mit der er hier oft durch ein paar Striche ein Bild zu skizziren und unsere Phantasie zur Vervollständigung desselben anzuregen weiss, ist so wunderbar, dass die deutsche Literatur schwerlich der Anschaulichkeit, der plastischen Kraft jener Naturschilderungen etwas Aehnliches von gleichem Werthe an die Seite zu setzen oder Figuren von grösserer Frische und Liebenswürdigkeit als die unsers Wälty aufzuweisen haben wird.



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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/357&oldid=- (Version vom 1.8.2018)