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Ebenso wenig will er sich die Augen verbinden lassen. Das kleine Herz ist fest wie Stahl, und es entzückt uns, wenn er sagt:

Frisch, Vater, zeig’s, dass du ein Schütze bist!
Er glaubt dir’s nicht, er denkt uns zu verderben –
Dem Wüthrich zum Verdrusse schiess und triff!

Dass er nicht den Schein von Furcht gehabt hat, zeigt er uns nachher, wo die Angst um das geliebte Kind selbst seinen Vater übermannt, da ruft er blos triumphirend:

Vater, hier ist der Apfel. – Wusst’ ich’s ja,
Du würdest deinen Knaben nicht verletzen.

Es war natürlich, dass der Künstler den Jungen in diesem Moment auffasste, um den kleinen, blonden, freudestrahlenden Teufelskerl wiederzugeben, in dem die Gutmüthigkeit und die Verwegenheit sich beständig so liebenswürdig streiten.

Der nimmer endende Kampf mit der Natur, in dem sich der Gebirgsbewohner fast unaufhörlich befindet, bildet denn freilich die Eigenschaften auch von früh an aus, die ihn zum Kampfe mit den Menschen am meisten befähigen: den kaltblütigen Muth, die Geistesgegenwart und den stolzen, unbeugsamen Trotz auf die eigene Kraft; immer auf sich gestellt fast in jedem Momente seines Lebens, sei es auf der steilen Alm als Hirt oder in den Felsen und Abgründen des Gebirgs als Jäger, sei es unter den Gewitterfluten des Sommers oder dem Donnern der Lavinen, dem Brausen der Schneestürme des schauerlichen Winters, – immer ist er im Angesicht der Gefahr. Da wächst denn freilich jener Sinn für Freiheit und Unabhängigkeit nicht nur, sondern auch jene Schnelligkeit des Blicks, jene scharfe Intelligenz, die allen Gebirgsbewohnern gemeinsam sind, und deren keimende Züge aus unserm Wälty schon ein so lebendiges Bild machen. Rasch bekommt der kleine Republikaner auch das stolze Bewusstsein seiner That, denn da die Mutter sagt: „Euer Vater ist’s, der’s Land gerettet“, so nimmt er sofort seinen Theil der Verdienste auch in Anspruch:

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/356&oldid=- (Version vom 1.8.2018)