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und sie für diese erneuerte Schuld sofort das Geschick durch das Erscheinen Don Cesar’s trifft.

Das heisse Blut ihres Geschlechts zeigt sich ebenso bei der Leiche Don Manuel’s, wo die aus der Ohnmacht Erwachende der Mutter ihre Erhaltung vorwirft:

O Mutter! Mutter! Warum hast du mich
Gerettet! Warum warfst du mich nicht hin
Dem Fluch, der, eh’ ich war, mich schon verfolgte? . . . .
Dir selbst und mir, uns allen zum Verderben
Hast du den Todesgöttern ihren Raub,
Den sie gefordert, frevelnd vorenthalten! –

wobei zugleich die seltsame Vermengung von christlichen und heidnischen Vorstellungen besonders hervortritt, die durch das ganze Stück zieht und unser sittliches Gefühl so oft irre macht, trotz allen wunderbaren Glanzes der Sprache, der oft eine wahrhaft berauschende Wirkung ausübt, und Schiller’s Meinung, dass er hier das Höchste geleistet, wenigstens in dieser Beziehung rechtfertigt. Diese technische Meisterschaft aber, so unentbehrlich sie auch jedem classischen Kunstwerke ist und in so grossem Masse sie sich auch hier vorfindet, genügt doch niemals allein, um einem Kunstwerk den ersten Platz anzuweisen, und auch bei der „Braut von Messina“ muss man sich gestehen, dass Schiller mit andern Stücken dem Herzen der Nation näher getreten ist, bildender und erhebender auf sie eingewirkt hat als durch dieses, trotz seiner Formvollendung.



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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/333&oldid=- (Version vom 1.8.2018)