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sowenig auch er vor plötzlichem Erfasstwerden durch die gewaltigste Leidenschaft gesichert ist, wie sein ganzes Geschlecht, und wie es uns die Geschichte seiner Liebe zeigt, wo er rasch zur Gewalt greift und die Geliebte raubt, ehe er auch nur weiss, ob es überhaupt nothwendig wäre. Er ist in allem ein grosser Herr, freigebig, prachtliebend, – ja er beweist gar feinen Geschmack in der Auswahl der Toilette seiner Braut! „Schön wie ein Gott, und männlich wie ein Held“ nennt ihn die Geliebte, stolz und fürstlich kennen wir ihn, und so hat er sich denn unsere volle Bewunderung errungen, als ihn das Geschick in unglückseliger Folge des langen Streits ereilt, der zu tiefe Spuren in der Seele des Bruders zurückgelassen, als dass sie nicht beim mindesten Anlass dem Argwohn und der Wuth verfallen sollte:

Und zu schwere Thaten sind geschehn,
Die sich nie vergeben und vergessen –

sagt der Chor in Ahnung des kommenden Geschicks mit jener machtvollen Hoheit und Würde der Sprache, die dem ganzen Stücke einen so merkwürdigen Zauber verleiht, die, selbst wenn wir von dem Gange der Handlung ganz absehen, dennoch eine hinreissende Wirkung auf uns ausübt. Wir fühlen uns überall herrlich erhoben und geblendet von der Grossartigkeit der Gedanken des Dichters mehr noch, als von dem Geschick, welches sich vor unsern Augen erfüllt. Wir fühlen uns befreit, weil wir ihn so hoch und erhaben über alles Niedrige, Kleine und Gemeine sehen: – glauben wir nicht oder verstehen wir nicht die Fügungen des Schicksals, so glauben wir um so fester an ihn!



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/317&oldid=- (Version vom 1.8.2018)