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Naturanschauung ausgehe und sie blos durch das Medium des dichterischen Geistes verschönt und erhöht wiedergebe. In der „Braut von Messina“ selbst aber geht er einen grossen Schritt nicht nur über diese Theorie, sondern auch die Praxis seiner übrigen Stücke hinaus, wie er das auch gleich im nächsten Satze andeutet:

„Wie aber nun die Kunst zugleich ganz ideell und doch im tiefsten Sinne reell sein – wie sie das Wirkliche ganz verlassen und doch aufs genaueste mit der Natur übereinstimmen soll und kann, das ist es, was wenige fassen.“

Um diese Aufgabe zu lösen, substituirt er hier der Naturanschauung, die zum Ideal erhoben wird, ein Ideal, dem blos die Formen und der Organismus der Natur verliehen werden: das heisst er schlägt eine ganz neue ihm sonst fremde Richtung ein, denn allen seinen sonstigen Figuren, vom Fiesco oder Wallenstein bis zur Gustel, liegen sehr bestimmte Originale aus der Natur zu Grunde, den Personen der „Braut von Messina“ aber offenbar nicht. Am meisten tritt dies bei Beatrice und Don Manuel hervor, welch letzterer in seiner wenig individuellen Fassung eine schwere Aufgabe für die bildende Kunst ward.

Der Künstler hat beide Brüder dargestellt, wie sie in Gegenwart der Mutter sich stumm und trotzig gegenüberstehen, die wilden Banden des Gefolges hinter sich. Beiden ist feurige Jugendkraft verliehen, gepaart mit fürstlicher Hoheit:

 Donna Isabella (zu Don Cesar).
Sieh dich umher in dieser ganzen Schar,
Wo ist ein edler Bild als deines Bruders?
  (Zu Don Manuel.)
Wer unter diesen, die du Freunde nennst,
Darf deinem Bruder sich zur Seite stellen?
Ein jeder ist ein Muster seines Alters,
Und keiner gleicht, und keiner weicht dem andern.

Auch entspricht der Brüder, speciell Don Manuel’s Denkungsart dieser Schilderung seiner Mutter:

 Don Cesar (ohne Don Manuel anzusehen).
Du bist der ältre Bruder, rede du!
Dem Erstgebornen weich’ ich ohne Schande.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/315&oldid=- (Version vom 1.8.2018)