Seite:Schiller-Galerie.pdf/309

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Der Chor ruft solcher Ueberschwenglichkeit an der verdeckten Leiche Don Manuel’s mit wunderbarer poetischer Kraft und gehaltenem Wesen warnend entgegen:

Aber auch aus entwölkter Höhe
Kann der zündende Donner schlagen.
Darum in deinen fröhlichen Tagen
Fürchte des Unglücks tückische Nähe!
Nicht an die Güter hänge dein Herz,
Die das Leben vergänglich zieren!
Wer besitzt, der lerne verlieren;
Wer im Glück ist, der lerne den Schmerz!

Fruchtlos! Denn an dieser Leiche verflucht sie sofort im Ausbruch ihrer masslosen Leidenschaft seines Mörders ganzes Geschlecht, und wendet sich zürnend selbst gegen den Himmel:

So haltet ihr mir Wort, ihr Himmelsmächte?
Das, das ist eure Wahrheit? Wehe dem,
Der euch vertraut mit redlichem Gemüth! . . . .
Warum besuchen wir die heil’gen Häuser
Und heben zu dem Himmel fromme Hände?
Gutmüth’ge Thoren, was gewinnen wir
Mit unserm Glauben? . . . .
Nicht Sinn ist in dem Buche der Natur:
Die Traumkunst träumt, und alle Zeichen trügen –

ja in ihrer höchsten Verzweiflung selbst spricht sich immer noch der starre unbeugsame Sinn aus, der die Grundursache des Zusammensturzes des ganzen königlichen Hauses ist:

Was kümmert’s mich noch, ob die Götter sich
Als Lügner zeigen oder sich als wahr
Bestätigen? Mir haben sie das Aergste
Gethan. – Trotz biet’ ich ihnen, mich noch härter
Zu treffen, als sie trafen. – Wer für nichts mehr
Zu zittern hat, der fürchtet sie nicht mehr.



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/309&oldid=- (Version vom 1.8.2018)