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aber gerade sie will uns kaum recht verständlich werden, obwol Schiller dadurch, dass er ihn in zwei Theile spaltet und diesen wieder mehrere Stimmführer gibt, dem modernen Geschmack doch schon bedeutende Zugeständnisse macht. Schiller wollte seinem eigenen Geständniss nach die Fabel seines Stücks in eine ideale Zeit und in die einfachste Form des Lebens zurückversetzen, um blos das rein Menschliche geben zu dürfen, er glaubte dadurch die Tragödie in eine höhere Sphäre zu heben, indem er ihr jene griechische Form gab, die ihm als die reinste und idealste erschien. Die griechische Kunst aber ist im Gegentheil die nationalste von allen, und eben deshalb sind ihre Formen einer so ganz andern Zeit, einer so ganz andern Welt als der unserigen nie vollkommen verständlich. Er war also von vornherein genöthigt, unserer Empfindungsweise Concessionen zu machen, wie wir beim Chor gesehen, und auch die Figuren doch mit einzelnen Zügen auszustatten, die nicht einer allgemeinen, sondern einer ganz bestimmten Periode angehören.

Es sind die normannischen Eroberer Siciliens, an die der Dichter wol jedenfalls gedacht hat, als er seine Königsfamilie schuf, deren gewaltige Leidenschaften zu einem so verhängnissvollen Ende führen. Die Fingerzeige darauf kehren so häufig in dem Stück wieder, dass kaum ein Zweifel daran sein kann. Sagt doch Isabella zum Beispiel zu ihren Söhnen gleich bei der ersten Zusammenkunft von ihrem Gefolge:

Wie könnten sie’s von Herzen mit euch meinen,
Den Fremdlingen, dem eingedrungnen Stamm,
Der aus dem eignen Erbe sie vertrieben,
Sich über sie der Herrschaft angemasst?

Der Künstler hat demnach das Costüm des 11. Jahrhunderts, die Blütezeit des romanisch-byzantinischen Stils gewählt, der in Sicilien eine so eigenthümliche Ausbildung durch die starke Beimischung sarazenischer Elemente erhielt, die von den frühern Herrschern dieses Landes übrig geblieben waren. Schiller betont diese starken maurischen Bestandtheile Messinas, noch mehr aber die Reste alter heidnischer Vorstellungen überall mit besonderm Accent: man spricht von

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/307&oldid=- (Version vom 1.8.2018)