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Reich erfochten, erst einen Altar errichten, sie dem heiligen Denis gleichsetzen will, und sie dann fünf Minuten nachher, auf die Anklage eines bigoten Bauern hin, nichtsdestoweniger hülflos stehen lässt, ja die Gnade so weit treibt, dass er ihr, der er alles verdankt, durch Du Chatel sagen lässt:

Johanna d’Arc! Der König will erlauben,
Dass Ihr die Stadt verlasset ungekränkt.
Die Thore stehn Euch offen. Fürchtet keine
Beleidigung. Euch schützt des Königs Frieden.

Natürlich lässt sich unser künstlerischer König das Recht nicht nehmen, ihr wieder die Leichenrede zu halten, nachdem sie für ihn gestorben:

Sie ist dahin. – Sie wird nicht mehr erwachen,
Ihr Auge wird das Ird’sche nicht mehr schauen.
Schon schwebt sie droben, ein verklärter Geist,
Sieht unsern Schmerz nicht mehr und unsre Reue –

um uns so das Bild seiner Schwäche zu vervollständigen. Sie ist nicht zu verkennen in dem nach vorhandenen ältern Porträts gefertigten Bilde: in dem schmalen Gesicht, den grossen schwärmerischen Augen, der langen schmalen Nase, den feinen Lippen und der kleinen Hand, wie der schlanken weichen Gestalt ist sie nur zu deutlich ausgeprägt. Karl’s Charakter entsprechend, hat ihn der Künstler in der Scene dargestellt, wo er vor dem Erscheinen der Jungfrau rathlos seine Sache aufgibt, seufzend:

 G’nug
Des Blutes ist geflossen und vergebens!
Des Himmels schwere Hand ist gegen mich!



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/277&oldid=- (Version vom 1.8.2018)