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KARL VII.
(Die Jungfrau von Orleans.)


Ueberall ist der Dilettantismus widerwärtig, am verhängnissvollsten aber wird er jedenfalls, wenn ihn ein König auf dem Throne treibt, mitten in wilder schwerer Zeit, die einen ganzen Mann fordert und nun nichts als einen kunstsinnigen Schwächling findet.

Karl VII., wie ihn, streng der Geschichte folgend, Schiller zeichnet, ist ein solcher dilettirender König; sehr anständig und gut erzogen, thut er nie etwas Unschickliches; ganz ausnehmend wohlsprechend, weiss er euch überall vortreffliche geistreiche Reden zu halten, wo man eine That braucht; er hat guten Willen zu allem, Kraft zu nichts; wo man ihn anfasst, gibt er nach; er ist wie Schnee, der einem nirgends Stich hält, einem unter den Händen zerrinnt, wenn man ihn zu halten glaubt. Ist der Mann voll sanfter guter Wünsche, seufzt und klagt er über das Elend seines Landes, so hindert ihn das doch nicht, sich im stillen möglichst gut zu unterhalten, er macht Gedichte, er lässt sich vorsingen, er liebt die Künstler und hasst die Soldaten. Würde er der Künstler bedürfen, so würde er sicherlich die Soldaten lieben, denn eigentlich ist es der Begriff der Pflicht, der ihm verhasst ist; er will blos Vergnügen, er möchte auch sein Volk beglücken, aber ohne alle Anstrengung. Wie alle schwachen Naturen hält er sehr auf äussern Anstand: die gemessene Form soll die innere Haltlosigkeit verdecken. Es ist ihm nichts so zuwider, als die rauhen Redensarten des Dunois; wäre die Hofetikette nicht längst erfunden, er würde sie jedenfalls neu geschaffen haben, um sich alles vom Leibe zu halten, was seine sentimental-romantischen Neigungen irgend stören könnte. So ist er gleich im Eingang froh, des Connetable los zu sein, die Freude darüber überwiegt ihm bei

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/274&oldid=- (Version vom 1.8.2018)