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GRÄFIN TERZKY.
(Wallenstein.)


Sehen wir bei Thekla die ideale Natur des Weibes in schönster Verklärung geschildert, so zeigt uns Gräfin Terzky die dem Realen zugewandte Seite des weiblichen Wesens mit vielleicht noch grösserer Meisterschaft, denn gewiss gehört dieser Frauencharakter zu Schiller’s vollendetsten Schöpfungen. Hätte sie einen weniger hochfliegenden Geist, erstrebte sie niedrigere Ziele, so wäre sie eine gemeine Intriguantin; so wie sie der Dichter uns malt, ist sie dies nicht; wenn auch ihre Waffen, die Mittel einer Frau, theilweise aus dem Arsenal der Intrigue geholt werden müssen, so werden sie doch überall durch die merkwürdige geistige Ueberlegenheit geadelt, mit der sie dieselben braucht. Man hat den Frauen oft vorgeworfen, dass ihnen Geist und Verstand nichts nütze, da sie diese Gaben nicht dazu zu verwenden wüssten, sich höhere Aufgaben zu stellen, sondern sie in der Regel nur dazu misbrauchten, irgendeinen ganz gewöhnlichen Zweck oder gar eine ganz willkürliche Caprice mit einem ungemeinen Aufwand von Scharfsinn in den Mitteln zu erstreben. Gräfin Terzky zeigt uns das Gegentheil und documentirt sich dadurch als grossartige Natur. Sie hat lediglich nichts als die kleinen Mittel der Intrigue bei Max, und die feine weibliche Dialektik beim Schwager, beide aber gebraucht sie, um die weltumfassenden Plane des letztern zu unterstützen, dessen umgreifender Sinn in ihr ein vollkommenes Echo findet. Sie ist die einzige Frau, die ihn versteht und würdigt, Thekla ist doch zu sehr Weib, um ein anderes Genüge als das des Herzens zu suchen; sie ist blos hochherzig, während Gräfin Terzky ihr an Seelengrösse gleichsteht und sie an hohem Geiste übertrifft. Dass sie dabei mit dem Glücke zweier Menschen spielt, stösst

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/178&oldid=- (Version vom 1.8.2018)