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das kühne Profil, die starke, fast raubthierartig ausgebildete untere Partie des Gesichts, die hohe, straffe Gestalt. Ueber all dem das Siegel der geheimnissvollen Macht des Genie, jener Grösse des Geistes nicht nur, sondern auch jener ungeheuern Gewalt des Willens, der die Massen instinctartig an sich fesselt und sie mit sich fortreisst, wie die Augen der Schlange die Vögel bezaubern. Es ist ein geborener Herrscher, der uns hier in dem runden Thurmgemach, das Thekla in ihrer Unterhaltung mit Max und der Gräfin Terzky schildert, nachlässig auf einen Himmelsglobus gestützt, vorgeführt wird, die Bilder der Planeten hinter sich, die Figuren der Tafel sinnend betrachtend, auf welcher der Gestirne Lauf verzeichnet ist, deren Aspect ihn erst zum Handeln treibt – wie er sich selber täuschend sagt –, während es doch nur die innerste Natur ist, der er folgt. Der unzerstörbare felsenfeste Glaube an sich, verbunden mit dem Vertrauen auf besondere geheimnissvolle Mächte, die ihm zu Gebote stehen, wie sich beides so oft bei genialen Naturen findet, dieser Zusammenhang mit einem incommensurabeln dämonischen Reich, der durch das ganze Stück geht, erhöht den Zauber nur um so mehr, mit dem der Held auf uns wirkt.

Wie der Dichter den ganzen Process, den Wallenstein bis zum vollständigen Verrath an seinem Kaiser durchzumachen hat, Schritt für Schritt an uns vorübergehen lässt, ihn menschlich motivirt, das geschieht mit einer Meisterschaft, welcher die deutsche Dichtung nichts Aehnliches mehr an die Seite zu setzen hat. Zufall, Verhängniss und innere Nothwendigkeit sind hier in einer Weise miteinander verwoben, dass uns die Spannung nicht einen Augenblick loslässt, ebenso wenig als die Bewunderung für den Helden, dessen ungeheuern Selbstbetrug wir sogar verstehen, mit dem er sich über Dinge täuscht, welche die gemeinern Naturen um ihn herum vollkommen durchschauen, sodass er uns oft als eine Art von Schlafwandler erscheint, und wir doch an seinen Geist glauben, weil wir sehen, dass er mit der Inspiration des Genie aus derselben Quelle entspringt.

Ueber dem Staunen vor seiner Grösse vergessen wir sogar beinahe den Tadel seines schrankenlosen Egoismus, der Kälte, mit der er alles

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)