Seite:Schiller-Galerie.pdf/149

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Posa ist es allein, der ihr eine Aussicht in die sonst so trüb verhüllte Zukunft öffnet, der ihr noch einen Strahl von Hoffnung und Genugthuung zu gewähren vermag; – er allein beweist ihr, dass im männlichen Charakter Edelmuth nicht immer blos mit Schwäche, Stärke blos mit der Grausamkeit Hand in Hand gehen können. Dieses stille und schöne Vertrauen erwidert er mit einer ähnlichen Empfindung und einer Begeisterung für sie, die sich überall auf die zarteste Weise ausspricht, ob er nun zu Philipp sagt:

Und etwas lebt noch in des Weibes Seele,
Das über allen Schein erhaben ist
Und über alle Lästerung – es heisst
Weibliche Tugend! –

oder endlich, da er sein keckes Spiel verloren, ihr und durch sie erst dem Freunde seine heissesten Wünsche ans Herz legt:

 Hier,
Hier – hier – auf diesem heiligen Altare,
Im Herzen seiner Königin leg’ ich
Mein letztes kostbares Vermächtniss nieder,
Hier find’ er’s, wenn ich nicht mehr bin. . . .
 Sagen Sie
Ihm, dass er für die Träume seiner Jugend
Soll Achtung tragen, wenn er Mann sein wird,
Nicht öffnen soll dem tödtenden Insekte
Gerühmter besserer Vernunft das Herz
Der zarten Götterblume – dass er nicht
Soll irre werden, wenn des Staubes Weisheit
Begeisterung, die Himmelstochter, lästert.

Posa geht mit Nothwendigkeit unter, eben weil er wohl eine neue Zeit begreift, seine Kraft aber nicht ausreicht sie herbeizuführen. Er zeigt den Weg ins Gelobte Land, vermag es aber nicht zu erobern, wie die meisten Propheten.



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/149&oldid=- (Version vom 1.8.2018)