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dieses Charakters den wohlthätigsten Gegensatz zu dem edeln aber weichlichen Wesen des Carlos bildet.

Nichtsdestoweniger ist Posa, obwol genialer Denker, glänzender Redner, kühner Soldat, dennoch kein Staatsmann, sollte es nach des Dichters Intention auch wol nicht sein: dafür hat er viel zu viel Vorliebe für die verwegensten Mittel, zu viel Schwärmerei, und lässt sich bei seinem Handeln allzu sehr von der augenblicklichen Stimmung leiten. Er ist Prophet einer neuen Zeit, kein Politiker. Schon sein Versuch, Carlos für die Sache der Provinzen zu gewinnen, während er doch dessen Schwäche, also die Unfruchtbarkeit dieses Bemühens, selbst im Falle es gelang, zu kennen vermochte, spricht nicht dafür, noch weniger aber sein Abspringen von diesem Plan in der Unterredung mit Philipp, ein so glänzendes Meisterstück der Beredsamkeit sie auch sonst ist. Einen sechzigjährigen Despoten zu bekehren unternimmt ein Staatsmann sicherlich nicht, sondern blos ein Schwärmer, und Philipp betrachtet ihn mit Recht consequent auch als solchen, obgleich er ihn persönlich lieb gewinnt.

Ist Posa nach dem allen kein consequenter Charakter, so ist er also doch ein um so geistreicherer Mensch, der in allem, was er äussert, die merkwürdigste Gedankentiefe zeigt, so schon vor dem Eintritt zum König durch die Art, wie er seinen Versuch vor sich selbst motivirt:

Wie komm’ ich aber hierher? – Eigensinn
Des launenhaften Zufalls wär’ es nur,
Was mir mein Bild in diesen Spiegeln zeigt? . . . .
Ein Zufall nur? Vielleicht auch mehr. – Und was
Ist Zufall anders, als der rohe Stein,
Der Leben annimmt unter Bildners Hand?
Den Zufall gibt die Vorsehung – zum Zwecke
Muss ihn der Mensch gestalten. . . .
 Ich weiss,
Was ich – ich mit dem König soll – und wär’s
Auch eine Feuerflocke Wahrheit nur,
In des Despoten Seele kühn geworfen –
Wie fruchtbar in der Vorsicht Hand!

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/147&oldid=- (Version vom 1.8.2018)