Seite:Schiller-Galerie.pdf/141

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

seinem Verhältniss zu der Königin und der Eboli. Für einen Mann ist die Liebe kein Lebensziel, nie räumt er ihr den ersten Platz ein: den hat sie nur bei der Frau. Ein wirklicher Mann würde die schöne Eboli nicht umsonst seufzen lassen, und die grossartige herrschsüchtige Königin schwerlich geliebt, sondern blos verehrt haben; im Gegentheil liegt etwas – Knabenhaftes.

Der Gipfel der „Jugendeselei“ – dass wir ein treffendes Heine’sches Wort brauchen – aber ist es, wenn Carlos, nachdem er die schöne Herausforderung der Eboli nicht angenommen, sie noch obendrein zur Vermittlerin machen will. Es ist dies überdies ein ganz deutscher Zug, wie denn der ganze Carlos durchaus nichts Südliches hat, sondern sehr germanisches Wesen in seiner Denkungsart sich ausspricht.

Während Philipp, Alba, Domingo, ja selbst Posa die nationale Färbung mehr oder weniger zeigen, so herrscht in Carlos das Flamändisch-Germanische – das Blonde vor, weshalb ihn der Künstler so hätte darstellen müssen, wenn ihn nicht auch schon die authentischen Bildnisse des historischen Carlos allein dazu berechtigt hätten, in denen das Bübisch-Tückische freilich mehr heraustritt, als hier erlaubt sein konnte.

Erschütternde Schicksale können schwache Menschen wohl zu grossen Entschlüssen treiben, nicht aber ihnen die Kräfte zur Ausführung verleihen; wenn wir daher Carlos durch Roderich’s Tod zum Verzicht auf seine Liebe und zur Erfassung seiner wahren Aufgabe getrieben sehen, wie er dies zu Elisabeth in den Worten ausspricht:

Es gibt ein höher, wünschenswerther Gut,
Als dich besitzen. – Eine kurze Nacht
Hat meiner Jahre trägen Lauf beflügelt,
Frühzeitig mich zum Mann gereift –

so muss gerade diese gewaltsame Veränderung seiner Natur ihn mit Nothwendigkeit dem Untergang entgegenführen, da das Tragische eben darin liegt, dass ihm zu seiner Aufgabe zwar nicht der Wille, aber die Kraft fehlt.



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/141&oldid=- (Version vom 1.8.2018)