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 Trotz ist es
Und Bitterkeit und Stolz, was Ihre Wünsche
So wüthend nach der Mutter zieht.

Sie entspringt im Grunde blos aus der unbewussten Feindschaft gegen den Tyrannen, der ihm die Existenz verkümmert, dessen Vaterrechte ihm ein blosser abstracter Begriff sind, welcher freilich keine Macht über seine Seele haben kann. Hören wir ihn selbst:

Kann ich dafür, wenn eine knechtische
Erziehung schon in meinem jungen Herzen
Der Liebe zarten Keim zertrat? Sechs Jahre
Hatt’ ich gelebt, als mir zum ersten mal
Der Fürchterliche, der, wie sie mir sagten,
Mein Vater war, vor Augen kam. Es war
An einem Morgen, wo er steh’nden Fusses
Vier Bluturtheile unterschrieb. Nach diesem
Sah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergehen
Bestrafung angekündigt ward.

Wo soll da die Liebe herkommen, die wie jedes andere Gut errungen, gewonnen, verdient werden will? Nächst dem Thätigkeitstrieb ist aber das Bedürfniss nach ihr der mächtigste Factor im menschlichen Herzen. Man liebt an andern nicht das, was man hat, sondern das, was einem fehlt. Dem kranken Carlos fehlen Seelenstärke und Freiheit, die er beide bei der Königin voraussetzt und bei Posa findet: sie sind’s, die seine schwächere Natur so sehr an beide ketten. Er spricht diesen Grund seiner Neigung selber aus, als er den wiedergefundenen Freund an die Jugendzeit erinnert, da

Kein Schmerz mich drückte, als von deinem Geiste
So sehr verdunkelt mich zu sehn – ich endlich
Mich kühn entschloss, dich grenzenlos zu lieben,
Weil mich der Muth verliess, dir gleich zu sein.

So edel diese Empfindung ist, so zeigt sie doch eigentlich eine weibliche Natur. Die Neigung männlicher Gemüther richtet sich mehr auf das Allgemeine, auf die Ideen und Dinge, die der weiblichen aufs Individuelle, auf die Personen.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/139&oldid=- (Version vom 1.8.2018)