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des freien Schaffens versagt ist, so kennen sie nur noch Ein Interesse, das eigene. Priester, Feldherren, Würdenträger aller Art, ja die meisten Frauen selbst kennen alle nur dieses Ziel, und der rücksichtsloseste Egoismus lauert überall unter der kalten, glatten, seelenlosen Form höfischer Manieren, höfischer Sprache; dass niemand sich anders äussert, ja anscheinend sogar denkt und empfindet, als officiell vorgeschrieben ist, zeigt uns am klarsten die Stärke des Drucks, der auf allen lastet; nicht genug, dass die sanfte Mondecar sich freut, dass man ihr ein Auto da Fé versprochen: „Es sind ja Ketzer, die man brennen sieht“, so bebt selbst die leichtsinnige Eboli vor dem Gedanken zurück, dass man sie für eine schlechtere Christin halten könnte, als die Marquisin Mondecar. Diese beiden Züge zeigen uns trefflich, wo wir sind, die gewaltsame Verkehrung der natürlichsten Gefühle bereitet uns am besten auf das Auftreten dessen vor, der der Repräsentant des Absolutismus sein soll. Seine erste Aeusserung gilt denn auch der Aufrechthaltung des äussern Anstandes, dessen Strenge bekanntlich überall mit der innern Fäulniss zu wachsen pflegt. Die unverhältnissmässige Härte, mit der Philipp eine leichte Verletzung desselben ahndet, der Hohn, mit dem er die Strafe begleitet, zeigen uns sofort das Kalte, Steife, bis zum Uebermass Argwöhnische, sowie endlich das Grausame seines Charakters. Philipp ist nichtsdestoweniger ein König durchaus, man fühlt ihm überall den geborenen Herrscher an, selbst das Gemeine thut er mit einer gewissen Würde, die Majestät, die Gewohnheit des Gebietens, verlässt ihn keinen Augenblick; er zeigt sich aber auch als den pedantischen Träger eines Systems, das zuletzt ihn mit gleicher bleierner Schwere drückt wie die andern. Bleibt er aber, selbst wo er eifersüchtig und neidisch wird, doch immer ein vornehmer Mann, so zeigt mit unnachahmlicher Meisterschaft uns der Dichter bei ihm den Unterschied, welcher zwischen dem blos Vornehmen und dem wirklich Edeln besteht; letzteres erreicht Philipp nie, wenn er gleich ebenso wenig je trivial wird.

Philipp’s unfruchtbare Grossartigkeit ist durchaus unfähig zu jeder positiven Gestaltung, er kann blos zerstören durch seinen despotischen

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Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/123&oldid=- (Version vom 1.8.2018)