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Arnold Schering: Beiträge zur Bachkritik

wie erwähnt, noch weniger. Wahrscheinlich ist auch dies die Bearbeitung eines Tripelkonzerts fremder Erfindung, diesmal aber, wie mich dünkt, nicht für drei Violinen, sondern für Violine, Flöte und ein fragliches Instrument (Oboe?). Darauf deutet die starke Bevorzugung der unausgesetzt konzertierenden ersten Partie vor den beiden anderen, sichtlich weniger anstrengend geführten. In diesem Falle würde der Komponist nicht unter den Italienern, sondern unter den Deutschen zu suchen sein, die solche Zusammenstellungen liebten (Telemann, Heinichen, Hurlebusch?). Das Hauptthema des ersten Satzes mit seinen Figuren im lombardischen Geschmack, das ungeschickt aufgebaute Siciliano mit der mangelnden Polyphonie, die Violinfiguration des letzten Satzes darf man als nicht bachisch ansprechen, wohl aber auch hier Bach als Bearbeiter – etwa im Dienste seines Collegium musicum – gelten lassen.

In hellen Zorn hat Schreyer die Tatsache versetzt, daß man die bekannten Vivaldi-Klavierbearbeitungen noch immer für Bachsche Erzeugnisse hält. Dabei ist eins verwunderlich: daß er selbst 20 und mehr Jahre Bachstudiums gebraucht hat, um zu der Einsicht zu kommen, hier liege ein Irrtum vor. Gerade hier aber, wo der Verfasser am bescheidensten hätte sein sollen, wird seine Kritik anmaßend. Wie er Spitta und andere mit herausgerissenen Sätzen zitiert, um – Post nubila Phoebus! – blendende Antithesen daraus zu entwickeln, berührt wenig sympathisch und ist nicht vornehm. Abgesehen davon, gehe ich auch hier ein ziemliches Stück mit Schreyer und glaube, daß einzelne der Konzerte (wenn auch wegen mangelnder Anzeichen nicht alle) als Schülerwerke aufzufassen sind. Aber die vollkommene Unschuld, mit der der Verfasser über eine historische Größe wie Vivaldi zu Gericht sitzt, dürfte so bald nicht überboten werden. Statt sich zu unterrichten, was es mit Vivaldi überhaupt auf sich hat, wer dieser Mann war, der um 1714 das ganze musizierende Europa in Aufregung und Entzücken versetzte, was er geschaffen und worin seine Bedeutung lag, – statt dessen zitiert Schreyer ein paar oberflächliche Worte der beiden Engländer Hawkins und Burney

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Arnold Schering: Beiträge zur Bachkritik. Breitkopf & Härtel, Leipzig [u. a.] 1912, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schering_Bachkritik_1912.pdf/7&oldid=- (Version vom 2.10.2022)