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Bedauern, ja, (Sie verzeihen wohl die harte Andeutung),Sünde des Mitleids. sogar von... Mitleid. Aber ich meine, ein Geist, den ich doch immerhin fröhlichen Spottes wert erachtete, dürfte auch von Ihnen, Tom, nicht so entsetzlich grausam durch fürchtige Moralträne blasphemiert werden. Denn ich weiß ja, mein lieber Tom, daß ich nur Ihrem edlen Herzen das diffamierende Schimpfwort verdanke und daß Ihre recht stumpfen ästetischen Talmidolche doch an den Gluten ehrlicher, bürgerlich-moralischer Echauffements geschweißt sind. Was zuletzt Sie antrieb, wider mich nach der Königlichen Polizei zu rufen, ach, Tom, das lautete wahrscheinlich so: „Pfui, dieser Lessing!! einen armen brestigen Brudergeist öffentlich zu verunglimpfen!!“ – Und Sie – Rohling! Sie fühlen garnicht, daß nicht mein Witz, sondern nur Ihre Sorte „Ethik“ den Freund erniedert! Daß nicht meine Satire, wohl aber Ihre Tat hundsgemeinen Mitgefühls, Samuels brave Seele herabzieht... Lasset uns doch Männer sein! Mögen wir Schaffende die Illusion verlieren, „Unglücklichsein“ sei allemal Freibrief auf schlechte-Bücher-schreiben. Unglücklich sind wir alle! Aber nicht unser Leiden, sondern unser Sieg steht in Frage.. Ueber „Verrohung kritischen Geschmacks“ weinern Sie, ein zarterer Sudermann. Aber Sie halten mich garnicht für einen rohen Schriftsteller, sondern für einen schlechten Menschen... Gesetzt, Jungens, Ihr hättet mich verulkt,.. was täte ich? Wäre Eure Satire fein und treffend, dann erlernt ich lachen! Wäre sie unfein, dann lacht ich bereits! – Keiner Eurer Speicher bliebe von mir undurchstöbert, bis ich Euch.. besäße. So rächte ich mich! „Hier stehe ich nackend, schaut mich genauer an, Ihr habt noch einige meiner Schwächen und Mängel übersehen“. So beschämte ich Euch. Ihr aber... Du lieber Gott! Ihr ringt ja garnicht mit mir. Ihr dekretiert einfach. Ihr dekretiert Samuel ist ein Profete! Es fehlt uns an „Gehässigkeit der Erkenntnis“. (Und ich muß zugeben, daß Ihr diese kulturelle Forderung zur ersten Hälfte redlich erfüllt)... Aber diese Literaturdekrete machen mich glücklich. Denn ich bin ja schließlich kein Hundefänger. Ich will lieber einen Löwen als einen Floh „schändlich mißhandelt“ haben. Schopenhauer hatte seinen Hegel, Nietzsche seinen Wagner, ja, Aretino lachte sogar Päpste tot. Ich aber hatte nur Samuel Lublinski aus Pinne (und wer den Verblichenen kannte, wird meinen Schmerz zu würdigen wissen). Auch mein Talent könnte fröhlichere, stärkere Karikaturen zeichnen, von Samuelchen oder auch von Ihnen, Tom, wenn