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Erkenntnistheorie, die Moral und die Kunst), – wirklichWarum Mann sich vergaß. garnichts versteht. Aber von der schönen Rechtlichkeit seines Charakters überzeugt auch mich die Langeweile, an der meine stete Sehnsucht scheitert, Herrn Samuel Lublinski zu meinem Lieblingsautor zu erwählen.

Ich würde, mein lieber Thomas Mann, zu Ihrem Wahnsinn gerne ... schweigen. Ich habe Sie lieb und fühle mich für Sie verantwortlich. Ich würde eisern schweigen, wenn große, verletzte Liebe für Ihren Freund Lublinski dies Vergessen Ihrer Würde verschuldet hätte. Leider bezeugen Sie öffentlich, daß Sie zu meinem lieben Samuelchen nur ganz flüchtige, sogenannte „literarische“ Beziehungen haben. Ihr Motiv ist banaler. Es genügt, Ihrem Versuche, mich bürgerlich zu defamieren[1], die folgende Feststellung objektiver Tatbestände gegenüberzustellen. – –




Am 8. Februar d. J. erhielt ich zu meiner Ueberraschung aus Berlin den brüsken Brief einer Dame, die Herrn Thomas Mann durch Verwandtschaft sehr nahe steht und auch mit mir seit etwa acht Jahren befreundet war. Der Brief zeigte kurz an, daß durch meine Satire in der „Schaubühne“ die Dame sich in ihren Gefühlen als Jüdin verletzt fühle und ihre „Beziehung zu mir löse“. Ich mußte hierüber um so erstaunter sein, als ich, selber Jude nach Blut und Stolz, Herrn Manns Familie, die bereits in zweiter Generation getauft ist, niemals gerne an die Tatsache ihrer jüdischen Abstammung erinnert sah, die ich für meine Person stets ausdrücklich und mit Stolz zu betonen pflege. Um den reinlichen und lauteren Sinn meiner satirischen Arbeit anerkannt zu sehen, wendete ich mich nach jenem brüsken Briefe an Thomas Mann, von dessen Sympathien für mich und mein Schaffen ich nach mancherlei brieflichen und mündlichen Kundgebungen naiv überzeugt war. Am zehnten Februar fragte ich bei ihm an, ob er den mir unbegreiflichen Schritt seiner Verwandten (die mir sechs Wochen zuvor noch aufs freundlichste geschrieben hatte), gutheißen könne? Herr Mann erwiderte zu meiner Ueberraschung am zwölften Februar, sein Unwille über mein „Pamphlet“ (so drückte er sich aus), sei „womöglich noch stärker“, als der seiner Angehörigen, er gedenke mich öffentlich „so scharf wie möglich“ zu desavouieren, falls ich nicht in der Schaubühne eine Erklärung veröffentliche, „welche feststellt, daß alles Persönliche, namentlich das alberne Geschwätz, das Sie Lublinski


  1. Lessing schreibt durchgängig: defamieren