Seite:Samuel zieht die Bilanz und Tomi melkt die Moralkuh oder Zweier Könige Sturz.pdf/27

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

schreiben, und in solche, die nicht schreiben. Von jedem Kollege Ibsen. Menschen wußte er genau so viel, wie aus seinen Büchern durch Lesen zu entnehmen ist. Er trippelte neben mir und sah und hörte von mir nichts. Und hätte ebenso gut auch neben Dante oder neben Newton hertrippeln können, er hätte auch denen in all seiner Herzenseinfalt vororakelt, was für Dramen er zu schreiben gedenke, und wie seinem Stellung zu Dante sei, und was Er über Newton für Ansichten gelesen habe.

Vor dem Theater blieb der kleine Samuel stehn. Unter dem Giebel dort im Giebelfelde ist ein sodablaues Gemälde: Apoll und die Musen. Zählen Sie doch einmal die Musen nach, Herr Lublinski! sagte ich. Ich glaube, es ist eine zu viel dabei. Herr Lublinski zählte die Musen. Das ist die Muse der Zukunft, sagte Herr Lublinski zu der überzähligen. Ihre Schutzgöttin, meinte ich neckisch. Aber solche Huldigung steckte die kleine Gestalt gar naiv ein und begann sofort (wie übrigens die meisten Dichter, die ich kennen gelernt habe) mich mit Sätzen zu apostrophieren, wie etwa diesen: Apropos, Doktor Lessing, das wird Sie gewiß interessieren, Jonas Meier – Gott, ich halte ja freilich nicht viel von Jonas Meier – Jonas Meier schrieb neulich bei Scherl von mir, ich glaube, mit Recht, daß ich gegenwärtig in die dritte Periode meiner Entwicklung einzutreten im Begriff stehe. Es wird auch Ihnen gewiß nicht entgangen sein, daß zwischen dem Hebbelschen Oeuvre und dem Lublinskischen einige innere Verwandtschaften...

Das accentuierte er kräftiglich mit den literarischen Beinchen und steckte die Bauchapsis vor, womit er den Stolz des Schaffenden markieren wollte und die tragische Höhe der ganz großen Literaten. Sehen Sie, Herr Lublinski, sagte ich, dort das Caféhausfenster, dahinter hat Ibsen jeden Nachmittag seinen Kaffee getrunken. Sofort hub er wieder das literarische Beinchen und ließ Wässerchen. „Ibsen!!“ rief er, ich muß zwar bemerken, daß ich mich mit gewissen Unklarheiten seiner Problemstellung durchaus nicht einverstanden erklären kann. Wenigstens nicht voll und ganz. Aber immerhin scheint mir die Moderne nicht denkbar ohne den Magus aus Norden (so sagte er, natürlich! Er sagte ja auch nicht Bismarck, sondern die Eiche im Sachsenwald).

Vielleicht könnte Samuel auf dem Rückwege vom Hofbräuhaus dort ebenfalls sein Täßchen Nachtkaffee trinken, meinte das Schwesterchen. Ja! sagte Samuel groß, als wenn er zeigen wollte, daß er lebe und leben lasse, und als wenn