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Ein Traum.

Erzählung von Marko Wowtschok.

(Schluß.)
V.

Der Herbst rückte heran; die Feldarbeit ging bereits zu Ende, das Schnitterfest war schon abgehalten. Auf der Straße wurden die Brautwerber sichtbar und schon hörte man das Prahlen der Mädchen: „Ich bin mit meinem Michel verlobt!“ und „mich segnete der Vater mit dem Paul!“ Mir ist traurig und wehmütig zu Mute, als wär’ ich in eine schwarze Wolke getreten; meine ganze Freude besteht darin, mit Martha zusammenzutreffen und mich mit ihr auszusprechen.

Aus ganzem Herzen bat ich sie: „Sag’ Liebchen, ist das wahr, was du gesprochen, oder sind es bloß Scherze? Wer sagte dir, daß man um uns freien werde?“

„Habe ich dir denn nicht gesagt, wen ich ausgesendet hatte? Die weißgeflügelte Elfter.“ Und dabei brach sie in ein schallendes Gelächter aus. „Weißt, Herzchen, ich werde dir einen schönen Rat geben: Frage nicht nach etwas – wenn’s nicht nötig ist. Denken wir lieber daran, wie das sein muß, wenn wir beide in fremde Gegenden heiraten werden und unter fremde Menschen! Wie sich unser Schicksal gestalten wird! Gebe doch Gott, daß wir Glück hätten! Dann kommen wir zu unseren Vätern und Müttern auf Besuch. Ich komme stolz und schön und du noch stolzer und noch schöner – mit einem grauen Ochsenpaar – denn in Masowischtsche sind immer graue Ochsen, im schönen Überwurf, mit dem geliebten Mann; unseren Feinden mög’ es schwer werden, uns in unserem Glücke zu sehen!“

Solches sagt sie mitunter, behauptet das so ernsthaft, daß ich unter ihrer Erzählung auf alles übrige vergesse, ganz und gar vergesse!

Empfohlene Zitierweise:
: Ruthenische Revue, Jahrgang 2.1904. Verlag der Ruthenischen Revue, Wien 1904, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:RuthenischeRevue1904SelectedPages.pdf/127&oldid=- (Version vom 10.9.2022)