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der Gattin, der er den Gatten erhalten hat, als seinen schönsten Lohn betrachtet; oder wie er mit männlichem Muthe die Niederträchtigkeit bekämpft, den Unterdrückten, der Unschuld den kräftigen Schutz des Gesetzes angedeihen läßt; – oder wie er den von Leiden zu Boden Gedrückten mit den Worten der ewigen Wahrheit aufrichtet und als Lehrer und Freund aller Menschen dem schönsten Vorbilde nachstrebt, das je die Welt gezeigt hat. Sehen Sie, das ist ein Student.

Marquis. Mais monsieur, je le crois bien –

Alsdorff. Wissen Sie, mein Herr Marquis, was ein deutscher Student ist? Ein deutscher Student ist kein Schüler eines englischen College, der, nie der Ruthe entwachsen und dem Schülerkleide, in verba magistri, auf die Worte seines Lehrers schwört. Selbst denken, selbst prüfen ist das Zeichen des deutschen Studenten – nicht Nachbeten. Er ist kein französischer Student, der nichts besucht als die Vorträge seines Brodstudiums, den nicht die Wissenschaft, nicht die Wahrheit kümmert, sondern nur die praktische Anwendung. Ein deutscher Student umfaßt mit seinem Geiste alle Wissenschaft – ihm genügt es nicht, in seinem Fache geschickt zu sein, – kein Gegenstand des Wissens darf ihm ganz fremd bleiben. Wenn Sie das Wort verstünden: universitas literarum, dann würden Sie begreifen, was eine deutsche Universität, was ein deutscher Student ist.

Marquis. Permettez – moi, monsieur –

Alsdorff. Wissen Sie, was ein alter Student ist? Ein alter Student ist ein Mann, der viele Hoffnungen begraben hat, dem die schönsten Träume seiner Jugend unerfüllt geblieben sind, dem der Frühling geblüht und der Sommer

Empfohlene Zitierweise:
Roderich Benedix: Das bemooste Haupt oder Der lange Israël. J. J. Weber, Leipzig 1846, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Roderich_Benedix_-_Das_bemooste_Haupt_(Leipzig_1846).pdf/68&oldid=- (Version vom 16.5.2023)