Seite:Roderich Benedix - Das bemooste Haupt (Leipzig 1846).pdf/30

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Hauptmann (sich vergessend). Nie, niemals!

Amalie (rasch). Sie lieben meine Tante nicht?

Hauptmann. O welchen Sturm erregen Sie in meiner Brust! Erlassen Sie mir die Antwort.

Amalie (für sich freudig). Er liebt sie nicht!

Hauptmann (faßt ihre Hand). Würden Sie in diesen Verhältnissen sich glücklich fühlen? Würde Ihnen das stille, aber reine Glück genügen?

Amalie (reißt sich los). Es wird spät – gute Nacht, Herr Hauptmann! (rasch ab).

Hauptmann. Was ist das? Sie reißt sich los und geht? Habe ich mich verrathen? Habe ich etwas gesagt, was mir selbst noch nicht klar ist? Warum bekämpfe ich den Gedanken, daß ich sie liebe, und warum steigt dieser Gedanke immer stärker in mir auf? Nein, nicht so – erst muß ich klar werden mit mir selbst, ehe ich mich den Verhältnissen opfere. Wenn sie mich liebte? Ha, das ist es, was mir fehlt. Könnte ich hoffen, glauben, daß sie mich liebte – dann wäre das Räthsel meines Innern gelöst. Wenn es möglich wäre, daß ich in ihren Blicken recht gelesen? Aber sie versprach sich mit einem Andern? That ich das nicht selbst? – – Wäre der Argwohn gegründet, der in mir aufsteigt, daß ein wohlberechneter Plan alle dem zum Grunde liegt? (Geht und bleibt stehen.) Nein, ich kann nicht hineingehen in dieser Aufregung. Die Präsidentin? Mag sie es übel nehmen – ich brauche Einsamkeit. (Ab.)

Empfohlene Zitierweise:
Roderich Benedix: Das bemooste Haupt oder Der lange Israël. J. J. Weber, Leipzig 1846, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Roderich_Benedix_-_Das_bemooste_Haupt_(Leipzig_1846).pdf/30&oldid=- (Version vom 15.5.2023)