als ob wir darin nicht nach gesunder Vernunft lebten.
so daß wir über alle Lüste und Begierden herrschen;
sie übt uns in Starkmut
so daß wir jeden Schmerz freiwillig erdulden.
so daß wir in allen Stimmungen gleichmäßig handeln;
sie unterweist uns in Frömmigkeit,
so daß wir allein den seienden Gott ehrfurchtsvoll verehren.
wir glauben zwar, daß das Gesetz eine Sache Gottes ist;
wir wissen aber auch,
daß der Weltschöpfer seiner Natur nach mit uns empfindet.
dagegen verbot er den Genuß unpassender Speisen.
uns nicht bloß zur Gesetzesübertretung zu zwingen;
wir sollen auch noch deshalb essen,
damit du dich über den uns tiefverhaßten Genuß unreiner Speisen
lustig machen kannst.
auf die Gesetzestreue abgelegten Eide der Vorfahren brechen,
wenn du mir die Augen ausreißen und die Eingeweide verbrennen wirst.
daß sich mir die Vernunft nicht verjüngen könnte,
wo es sich um Frömmigkeit handelt.
Fache das Feuer noch stärker an!
daß ich das väterliche Gesetz aus eigener Machtvollkommenheit aufhöbe.
nicht dich fliehen, Freundin Selbstbeherrschung,
nicht dich verleugnen, hochwürdiges Priesteramt und Gesetzeswissen.
noch die Vollreife eines gesetzestreuen Lebens beflecken!
ohne daß ich vor deinen Todesmartern gebebt hätte!
aber weder mit Worten noch mit Taten
darfst du über die Gebote meiner Vernunft,
wenn die Religion auf dem Spiel steht, regieren.
Paul Rießler: Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel. Filser, Augsburg 1928, Seite 708. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Riessler_Altjuedisches_Schrifttum_ausserhalb_der_Bibel_708.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)