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2
Im 125. Lebensjahre rief er seine Familie und sprach:

Vernehmet meine Worte, Söhne Dans!
Merkt auf die Reden aus dem Munde eures Vaters!

3
In meinem Herzen und in meinem ganzen Leben habe ich erprobt,

daß etwas Gottgefälliges und Angenehmes
die Wahrheit mit gerechtem Handeln ist:
die Lüge aber und der Zorn ist schlimm;
er lehrt den Menschen jede Schlechtigkeit.

4
Meine Kinder! Heut gesteh ich euch:

Ich freute mich in meinem Herzen über Josephs Tod,
und doch war er ein guter und wahrhaftiger Mann.

5
Ich freute mich, daß Joseph ward verkauft;

sein Vater liebte ihn ja mehr als uns.

6
Der Geist des Neides und der Prahlerei sprach ja zu mir:

„Du bist doch auch sein Sohn.“

7
Und von des Beliar Geistern einer schürt an mir und spricht:

„Nimm dieses Schwert und töte Joseph!
Dein Vater liebt dich dann, ist jener tot.“

8
Dies ist der Geist des Zorns;

er suchte mich zu überreden,
ich sollte Joseph so zermalmen,
so wie’s ein Pardel mit dem Böckchen macht.

9
Doch meiner Väter Gott gab diesen nicht in meine Hände;

ich traf ihn nicht allein
und konnte ihn nicht töten.
Sonst wär ein zweiter Stamm in Israel vernichtet worden.


2. Kapitel
1
Jetzt, meine Kinder, sterbe ich.

Ich sage euch in Wahrheit:
Ihr geht zugrund,
bewahrt ihr euch nicht selbst vorm Geist der Lüge und des Zorns
und liebt ihr nicht die Wahrheit und die Großmut.
Der Zorn ist Blindheit, meine Kinder.

2
Kein Zorniger sieht je ein Angesicht in Wahrheit.
3
Wär es auch Vater oder Mutter,

so sieht er sie als Feinde an
und ist’s ein Bruder,
er weiß es nicht.
Ist’s ein Prophet des Herrn,
so hört er nicht;
ist’s ein Gerechter,
beachtet er ihn nicht
und einen Freund erkennt er nicht.

4
Der Geist des Zornes wirft des Irrtums Netze über ihn

und blendet ihm die Augen.
Denn Sinn verdunkelt er durch Lüge
und gibt ihm eine eigene Schau.