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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie

XIII.
SIEGMUND UND SIEGLINDE.


„Siehe, der Lenz lacht in den Saal!“


Um den Weltenbesitz streiten drei Geschlechter: die Götter, die Riesen, die Zwerge. In den Höhen des Lichtes wohnen die Götter, denen Wotan gebietet, auf dem Rücken der Erde die Riesen, in düsteren Erdklüften die Zwerge. Jedes dieser Geschlechter strebt nach Vermehrung seiner Macht, nach Alleinherrschaft. In dem ersten Nibelungen-Drama, dem „Rheingold“, hüten die drei Rheintöchter den goldenen Hort, welcher auf einem Felsenriffe des Stromes liegt. Alberich, der Zwergenfürst, dem Inneren der Erde entstiegen, sieht den Wellenspielen der drei Wächterinnen zu, macht ihnen Liebesanträge, wird aber verspottet. Der Morgensonne glühender Strahl fällt auf das Gold, das blitzt und leuchtet auf, – von des Goldes Wunderkraft erfährt Alberich:

Der Welt Erbe
gewänne zu eigen,
wer aus dem Rheingold
schüfe den Ring,
der maasslose Macht ihm verlieh.

Doch nur wer der Liebe entsagt, vermag das Gold zum Reif zu zwingen. Da fasst Alberich, der Liebe fluchend, nach dem Golde und stürzt sich mit dem Schatze in die Tiefe.

Auch Wotan verlangt nach dem Ringe, als er durch Loge den Listigen erfahren, dass der liebelose Alberich den Hort geraubt und den machtgebenden Reif geformt habe. Aber auch das Riesenpaar Fafner und Fasolt geizt nach den weltbedeutenden Schätzen. Es hat dem Wotan eine stattliche Burg gebaut und heischt nun als Lohn das Gold. Wotan entreisst dem Alberich den Ring, –

wie durch Fluch er mir gerieth,
verflucht sei dieser Ring!

mit diesen unheilverheissenden Worten trennt sich der Zwerg von dem Kleinod. Die Riesen haben als Pfand für ihren zuständigen Lohn Freia entführt, diese müssen die Götter durch Hergabe des Goldschatzes auslösen, auch der Ring fällt in die rauhen Hände der ungeschlachten Gesellen. Gar bald geht Alberich’s Fluch in Erfüllung:

Gab sein Gold
mir Macht ohne Maass,
nun zeug’ sein Zauber
Tod dem, der ihn trägt!

Die Riesen kämpfen sofort um den Besitz des Hortes und Fasolt wird von der Hand Fafner’s erschlagen. Der Ueberlebende hütet nun in Drachengestalt den Schatz, ohne dessen verborgene Kräfte zu wissen. Wotan aber lebt in beständiger Furcht, der listige Nibelung Alberich werde sich des Schatzes wieder bemächtigen und durch die Zaubermacht desselben die Lichtgötter stürzen.

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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie. Hanfstaengl’s Nachfolger, Berlin 1876, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard-Wagner-Galerie.pdf/90&oldid=- (Version vom 1.8.2018)