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Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie

X.
TRISTAN’S TOD.


„Erwach’! Erwach’!
Erwache meinem Jammer,
du treulos treuester Freund!“


Mit eigener Hand schleuderte Isolde die Fackel zu Boden. Zischend erlischt ihr warnendes Licht, Tristan eilt in die Arme der Trauten. Brangäne blickt spähend in die Nacht hinaus, – Waldweben, Liebesweben, – Liebeswonne, Todessehnsucht! Da stürzt Kurwenal herbei, aus dem Buschwerk tritt König Marke und sein Gefolge, Melot hat ihnen Weg und Steg gezeigt, Melot hat seinen „Freund Tristan“ verrathen. Der mildernsten Anklage des getäuschten Königs weiss Tristan nichts zu erwidern, aber gegen den Treulosen zieht er sein Schwert, sinkt aber, von Melot auf den Tod verwundet, zu Boden.

Kurwenal bringt seinen Herrn nach der heimathlichen Burg Karnol in der Bretagne. Im Schlosshofe unter dem schützenden Blätterdache einer uralten Linde bettet der Knappe den wunden Gebieter. Durch treue Pflege sucht er das fliehende Leben zu halten, aber Tristan ist ein sterbender Mann. Nur Eine könnte helfen, wenn Sie doch käme, die Aerztin Isolde! Kurwenal hat Boten entsendet und erwartet das baldige Eintreffen des Schiffes. Traurige Melodien bläst der Hirt auf seiner Schalmei.

Tristan erwacht aus langem Schlaf, noch einmal tritt er aus dem weiten Reiche der Weltennacht in das Sonnenlicht des irdischen Tages. Isolde?


Welches Sehnen,
welches Bangen,
sie zu sehen,
welch’ Verlangen!


Da erklingt des Hirten lustige Weise, Kurwenal eilt nach der Warte:


O Wonne! Freude!
Ha! das Schiff!
Von Norden seh’ ich’s nah’n.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Wilhelm Tappert: Richard-Wagner-Galerie. Hanfstaengl’s Nachfolger, Berlin 1876, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard-Wagner-Galerie.pdf/72&oldid=- (Version vom 1.8.2018)