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Arbeit ungestört nachgehen konnte. Und Reinhard sah auch, wie der Gedanke an ihre Malerei sie mit einem fast verzweifelten Ernst erfüllte — bei ihm sollte sie nicht gehindert und eingeengt sein, er wollte alles in ihr pflegen, in Ruhe und Liebe. Denn die hatten ihr bisher immer gefehlt, und er fühlte wohl, daß ihre Seele Wunden trug. Nur kam ihm nie der Verdacht, daß ein anderer Mann ihr die geschlagen haben möchte, er dachte nicht daran, daß Ellen ihm etwas verschweigen könnte.

Und für Ellen war es fast überwältigend, all diese umsorgende Liebe zu fühlen, die nur darauf bedacht war, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es wünschte und brauchte.

Zuerst, nach ihrer Rückkehr aus München, war sie bei Reinhards Familie gewesen, wo sie vor jedem Blick zitterte und gewaltsam ihre körperliche Schwäche niederzwingen mußte, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es schien ihr fast undenkbar, daß niemand ihr Geheimnis erraten sollte. — Und dann der Hochzeitstag, die Junisonne lachte, und sie sah in lauter strahlende Gesichter, hörte lauter frohe Worte und Stimmen und sollte selbst lächeln und viele heitre Worte sagen, während die beklemmende Angst in ihr immer höher stieg. Nur eine kurze Stunde vor der Trauung war sie allein in ihrem Zimmer, da warf sie sich aufs Bett und weinte zum erstenmal in all den Wochen bange und verzweifelt — dann kam Reinhard, um sie zu holen, und abends langten sie in ihrem neuen Heim an.

Und jetzt, wo sie mit ihrem Mann zusammenlebte, wuchs die Gefahr mit jedem Tag unentrinnbarer empor. Immer klarer kam es ihr zum Bewußtsein, wie wahnsinnig und unüberlegt sie gehandelt hatte, es konnte nicht lange mehr dauern, dann war es nicht mehr zu verbergen. Und wie sollte sie ihn dann täuschen? Sie hing wie ein Schiffbrüchiger mitten im Meer an einem Balken, der jeden Moment hinweggespült werden kann — mit der unsinnigen, unmöglichen Hoffnung, daß noch irgend etwas kommen möchte, sie zu retten. — Dazwischen glaubte sie

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 661. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0661.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)