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jedes Bild und war stillglücklich, daß er das mit ihr teilte, sie in seinem Höchsten mitleben ließ.

Inzwischen kam sie viel mit den anderen Freunden zusammen, es gab Stunden, wo sie all der stürmenden Gefühle müde wurde und nur einmal lachen wollte. War sie nicht bei Henryk, so traf sie den Zarekkreis in seinem Stammlokal. Es gab kaum eine Nacht, wo man vor drei Uhr heimkam, und wollte Ellen einmal zu Hause bleiben, um auszuschlafen, so erschien gewiß die ganze Bande noch um Mitternacht unter ihrem Fenster, oder sie schickten den Pikkolo vom Café, dem sie ihren Signalpfiff beigebracht hatten. Und sobald Ellen den hörte, war es aus mit ihren guten Vorsätzen, sie fuhr rasch wieder in die Kleider und war in ein paar Sätzen die Treppen hinunter, und dann kannte sie keine Müdigkeit mehr.

In ganz München tobte jetzt der Karneval, und sie brannten alle darauf, etwas zu unternehmen. Aber keiner von ihnen hatte Geld, — Künstlerfeste und Redouten waren unerschwinglich, so gingen sie nur eines Nachts ins Café Luitpold. Ellen hatte sich ein Clownkostüm geliehen, die Russin war auch maskiert, die übrigen alle in ihren gewöhnlichen Kleidern. Für Ellen war es alles ganz neu, und sie stürzte sich Hals über Kopf hinein. Henryk war nicht mit, sie vergaß ihn, vergaß alles, trieb hierhin und dorthin und war völlig willenlos vor Freude. Ein paarmal fing Zarek sie wieder ein und brachte sie an den Tisch zurück. Aber da war es heute langweilig, Max und der Onkel gerieten immer wieder in erboste Kunstgespräche und betrachteten das ganze Treiben nur vom malerischen Standpunkt aus, das eine Paar saß weltvergessen in einer Sofaecke, das andere zankte sich — der Fritz wich nicht von Ellens Seite und suchte sie vor allen Anfechtungen zu behüten, wenn andere Masken herankamen.

„Seid ihr alle oberflächlich,“ klang plötzlich Zareks rauhe Baßstimme. „Karneval ist abscheulich, gehen wir heim zu mir und machen Tee. Will ich euch Hamlet lesen.“ Die andern schwankten noch, und Ellen erklärte, daß sie dann alleine dableiben wollte,

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 650. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0650.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)