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Sünde. — Wenn er doch einmal ihre Gedanken erraten hätte, ihr das Rätsel gelöst, von dem alles abhing. Aber das Unglück lag daran, daß er sie für viel raffinierter hielt, wie sie war.

Aber trotz allem wogte eine selige Stimmung in ihr, als sie die Allee zum elterlichen Hause hinaufging — zum letztenmal! Jetzt war sie keine Gefangene mehr, alles lag so wundervoll weit und unsicher vor ihr.

Die Mutter stand schon an der Gartentür und sah nach Ellen aus.

„Wo bleibst du wieder so lange? Gott sei Dank, das hat nun ein Ende; wenn du wiederkommst, werden wir eine andere Ordnung einführen.“

Nach Tisch rief der Vater sie herüber.

„Wir lassen dich jetzt zum erstenmal ohne Begleitung reisen, Ellen. Ich erwarte von dir, daß du dich auch danach benimmst — vor allem bitte ich dich, deine sogenannten Ansichten nicht überall auszuposaunen. — Im Herbst wollen wir dann einmal weitersehen — vielleicht findet sich bei unseren Bekannten irgendwie Gelegenheit, deine Ausbildung als Lehrerin zu verwerten.“

„Papa, ist es ganz ausgeschlossen, daß Ihr mich Malerin werden laßt?“

„Hast du den Blödsinn immer noch im Kopf? — Dann schlag es dir jetzt ein für allemal aus dem Sinn — all diese Emanzipationsgeschichten. Glaubst du, ich werde dich mit deinem törichten Hang zur Ungebundenheit allein in die Welt hinausschicken? Aber das sind Sachen, die du nicht verstehst — —“ dann nahm er einen Brief vom Tisch und warf ihn wieder hin: „Hast du etwas davon gewußt, daß Detlev Schulden hat?“

„Nein,“ aber Ellen fühlte, wie sie rot wurde.

„Und auch nicht von der Duellgeschichte?“

„Nein!“

„Ellen, ich will die Wahrheit wissen.“

„Ich hab' ihm versprochen, nichts davon zu sagen.“ Und nun brach sein Zorn hervor: „Immer steckt ihr unter einer Decke, ihr beiden — gegen uns, gegen

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 589. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0589.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)