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eine gute Note hatte, und Papa legte ihr die Hand auf den Kopf und sagte:

„Jetzt hast du mir eine wirkliche Freude gemacht.“

Die Brüder waren zu den Osterferien gekommen — so war es einer von den seltenen ungetrübten Abenden, wo sie alle um Papas Tisch saßen mit Wein und Gelächter.

Ellen konnte heute mitstimmen, ohne einen bösen Blick von der Mutter zu bekommen, es schien, als ob man sie jetzt zum erstenmal anerkannte, zum erstenmal mit ihr zufrieden war.

Ihr selbst war nicht ganz wohl dabei — die dachten jetzt nicht daran, daß es doch nur ein kurzer Waffenstillstand sein konnte. Wenn sie wüßten, wie es in Wirklichkeit um Ellen stand, daß sie innerlich schon lange draußen auf hoher See trieb und wohl nie mehr den Weg zurückfinden würde —.

Der Frieden dauerte denn auch nicht lange, in den kurzen Wochen, die sie noch zu Hause blieb, fing es immer von neuem an zu gewittern. Die Eltern lebten in beständigem Mißtrauen: wo steckt Ellen nur wieder?, was treibt sie? — wenn sie den halben Tag verschwunden war, um mit einer Freundin, die am entgegengesetzten Ende der Stadt wohnte, zu modellieren, oder mit einer anderen Französisch zu treiben. Konnte man denn auf Schritt und Tritt hinter ihr stehen und ihr das bißchen Verkehr mit jungen Mädchen verbieten?

Und Ellen nahm jetzt alles auf die leichte Achsel und baute nur auf den Zufall, der sie nun schon jahrelang vor Entdeckung beschützt hatte. Was lag auch jetzt noch daran, wenn das Pulverfaß explodierte? So führte sie ein förmliches Abenteuerleben; solange Allersen noch Ferien hatte, schlich sie sich frühmorgens aus dem Hause, um ihn zu treffen, lange, ehe die andern aufstanden, und manchmal auch abends, wenn man sie im Bett glaubte. Und drunten am Hafen hatten sie eine stille Bierstube entdeckt, wo sich die Reste des Ibsenklubs und allerhand neu hinzugekommene Bekannte versammelten, während am andern Tisch die Schiffskapitäne Karten spielten.

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0587.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)