Seite:Reventlow Werke 0565.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und laut ist, kommt mir auf einmal eine solche Sehnsucht nach Dir. —

Wir trafen uns vorm Tor, der ganze Ibsenklub, und zogen in irgendein Wirtshaus weit draußen an der Landstraße, wo wir zur Feier des Karfreitags Grog tranken und sehr viel Lärm machten. Auf dem Rückweg kamen wir an der kleinen Kirche vorbei und hüpften im Gänsemarsch oben auf der Mauer entlang, als plötzlich die Türen aufgingen und die andächtige Gemeinde herausströmte. Wir machten, daß wir herunterkamen, und tanzten alle angefaßt um Lisa herum, die nicht mitgewollt hatte. Die Kirchenbesucher und Vorübergehenden schienen einigen Anstoß daran zu nehmen, und wir wurden verschiedentlich ermahnt weiterzugehen. Es war zu schade, daß Du nicht da warst. — Detlev und ich kamen noch etwas angesäuselt zu Tisch und wurden mit einem Donnerwetter über unser langes Ausbleiben empfangen. — Sie sind auch außer sich, weil wir uns weigerten, morgen mit zur Kommunion zu gehen, den ganzen Abend wurde kein Wort gesprochen — aber wäre es nicht Feigheit, es um des Friedens willen doch zu tun?“


2. Mai

„Das ist nun unwiderruflich der letzte Abend — für Monate. Eben bin ich noch mit unsrem alten Nero im Mondschein durch den Garten gegangen — und mir war ganz wehmütig dabei. Dies Tier ist das einzige Wesen, das hier zu Hause wirklich an mir hängt und mich vielleicht etwas entbehren wird.

Nein, es ist nur gut, daß ich fortkomme, dieser Zustand reibt mich auf. Immer liegt es wie ein dunkler Schatten über meinem Leben, das sonst so froh und licht sein könnte. Friedl, denke daran, daß ich keine Mutter habe, nie gewußt, was Mutterliebe ist — das alles mußt Du mir ersetzen, und Du tust es ja schon. So leb wohl, Du einzig Geliebter, wann werden wir uns nun wiedersehen? Wann wird wieder eine Blume von Dir vor meinem Bette stehen, wenn ich einschlafe? Du wirst wohl oft zu meinem leeren Fenster hinaufsehen — es ist mir ein Trost,

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0565.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)