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gestellt; ich will jetzt nicht davon reden, daß du dich von Anfang an gegen jede Zucht und Ordnung aufgelehnt, dich auch heute noch wieder mit Editha, die ja leider ganz unter deinem Einfluß steht, lachend über alle Regeln hinweggesetzt hast, nur das eine will ich dir sagen: für ehrlich wenigstens habe ich dich bis jetzt gehalten, bis zu dem Augenblick, wo ich erfuhr, auf was für Schleichwegen du dir dieses Buch verschafft hast. Jetzt weiß ich, daß du selbst vor einem gemeinen Betrug nicht zurückschreckst — du, ein Mädchen aus guter, hochgeachteter Familie — eine Konfirmandin. — Und ich sage dir noch einmal, zum letztenmal: halt ein auf der abschüssigen Bahn, die du wandelst. Geh in dich, ehe es zu spät ist, sonst wirst du dermaleinst mit bittrer Reue an meine Worte zurückdenken.“

Dann wandte sie sich zu den anderen: „Ellen Olestjerne hat sich eines gemeinen Betruges schuldig gemacht — sie hat den Namen einer Mitschülerin mißbraucht, um sich ein Buch zu verschaffen, das sie nicht bezahlen konnte, und noch zwei andre veranlaßt, ihr Geld zu borgen, um ihre Schuld wenigstens für den Augenblick zu decken. Ihr habt sie von jetzt an als ehrlos zu betrachten und ich warne jede, die noch mit ihr verkehrt.“

Damit verließ sie das Zimmer und die schwarze Seidenschlange raschelte ihr nach.

Ellen wanderte auf drei Tage in Arrest. Da saß sie in der dämmerigen Turmstube, machte lange Gedichte auf Editha und wartete, wie ihr Schicksal sich entscheiden würde. Als sie am nächsten Sonntag der Reihe nach zur Pröpstin hineinkamen, um ihre Zeugnisse vorzulegen, sagte die verhaßte Stimme:

„Ellen Olestjerne, deine Eltern sind von dem Vorgefallenen benachrichtigt. Du kannst noch bis Ostern hierbleiben, weil ich ihnen nicht die Schande antun will, dich vor der Einsegnung fortzuschicken.“

Es war doch ein arger Schrecken, als die kalte, unerbittliche Tatsache plötzlich vor ihr stand: fortgejagt — und die Eltern. — Wie in einem bösen Traum ging Ellen hinaus, an den andern vorbei,

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Ellen Olestjerne. München: Albert Langen, 1925, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Werke_0543.png&oldid=- (Version vom 27.9.2016)