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Ich hatte ja die vorige Nacht, wenn auch nicht ungestört, geschlafen und wachte gegen Mittag von einem leichten Geräusch auf. Es war Chamotte, der auf den Zehenspitzen herumschlich. Willy ließe fragen, ob er zu mir herunter kommen könnte, er sei auch schon wach, und da er zwei Gäste beherbergte, fühlte er sich etwas beengt. Ich kleidete mich an und legte mich dann wieder aufs Bett, Willy kam in einem gelb-seidenen Kimono:

„Ich weiß nicht, wem er gehört,“ seufzte er, „man zieht jetzt immer an, was man gerade findet. — Es ist alles so anstrengend, — der Leutnant ist schon fortgegangen, um seine Tante von der Bahn zu holen, Susanna hat ihm ihren roten Rodelsweater und Reithosen von Onski gegeben — denn er wollte durchaus nicht in seinem Biedermeierfrack an die Bahn gehen. Wir drei hier im Hause kommen jetzt manchmal in Verlegenheit, weil wir immer unsere Gäste zum Fortgehen ausstaffieren müssen. Ein junges Mädchen mußten wir neulich zwei Tage dabehalten, weil sie als Page zu uns kam und nichts vorhanden war, was ihr paßte —“

Chamotte machte derweil Ordnung im Zimmer, heizte den großen Ofen ein und brachte uns Kaffee. Dann lagen wir da, rauchten Zigaretten, und es war sehr gemütlich. Die Tür zu beiden Nebenzimmern stand offen, in dem einen schlief Orlonski, in dem anderen Maria, und wir sprachen halblaut, um sie nicht zu stören.

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Herrn Dames Aufzeichnungen. Albert Langen, München 1913, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Herrn_Dames_Aufzeichnungen.pdf/99&oldid=- (Version vom 1.8.2018)