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„Gott, ich weiß ja kaum, wer Sie eigentlich sind, aber ich nehme an, daß Sie dem Hause hier nahestehen —“ darauf gähnte er: — „Hören Sie, Herr Dame, wir sind wahrscheinlich beide ziemlich müde. — Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich dort auf dem Diwan schlafe.“

Nein, natürlich hatte ich nichts dagegen, — seine frische unbekümmerte Art war mir ganz sympathisch.

Er zog nur seinen Frack aus und hängte ihn über die Stuhllehne, dann warf er sich auf den Diwan.

„Wissen Sie — ich habe schon manchmal hier geschlafen, — wenn ich meine Schlüssel vergessen oder mich verspätet hatte. Ein oder das andere Fenster ist immer offen, und die Eckhäusler wundern sich nie, wenn sie morgens irgendeinen Bekannten vorfinden — besonders im Karneval,— es ist wirklich ein gastfreies Haus —“

Ich konnte noch lange nicht einschlafen, der Mond schien gerade ins Fenster, und der schwarze Frack hing so gespenstisch über die Stuhllehne, daß ich jeden Augenblick emporfuhr und meinte, es stände jemand vor mir. Ich dachte noch über Maria nach — es ist soviel Verhängnis um sie, — da tobt sie nun heute nacht mit dem Sonnenknaben und den Enormen, und vielleicht liebt sie auch den Mann, der dort drüben schläft. Und morgen liegt sie selbst wieder hier auf dem Diwan, und wir unterhalten uns müde über unsere Biographien.

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Herrn Dames Aufzeichnungen. Albert Langen, München 1913, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Herrn_Dames_Aufzeichnungen.pdf/92&oldid=- (Version vom 1.8.2018)