Seite:Reventlow Herrn Dames Aufzeichnungen.pdf/129

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ich meinte, er wollte wohl nicht aus der Stimmung herausgerissen werden, und als römische Matrone …

Sendt lächelte.

„Die Matrone gilt vielleicht nur für Outsider. — Ich habe munkeln hören, daß er den Eingeweihten die große Urmutter darstellt — obwohl diese von Rechts wegen unsichtbar ist. Deshalb trägt er wohl auch den schwarzen Schleier auf dem Haupt. Sie begreifen, daß es nun wirklich stillos wäre, sich mit seiner Mama zu unterhalten, wenn man sich selbst als Urmutter empfindet.“

Ich versank in tiefes Staunen — Maria kam angestürzt und warf sich in einen Sessel:

„Da sitzt ihr wieder und redet, statt zu tanzen. — Hören Sie, Sendt, der Sie alles wissen, warum ist der Dionysos so rot? — Ich dachte immer, er wäre nackt und nur mit Weinlaub.“

„Zügeln Sie Ihre schlimmen Phantasien, Maria! Der indische Dionysos, den Sie heute in unserem Professor verkörpert sehen, wird im langen wallenden Gewande dargestellt — und für Sie, lieber Dame, — der Kult der großen Mutter kam aus Asien, deshalb mag wohl auch der indische als der Ur-Dionysos gelten.“

„Wie langweilig,“ sagte Maria, „— jetzt gibt’s schon wieder einen Umzug, und ich wollte gerade mit Georg tanzen.“

Empfohlene Zitierweise:
Fanny Gräfin zu Reventlow: Herrn Dames Aufzeichnungen. Albert Langen, München 1913, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Herrn_Dames_Aufzeichnungen.pdf/129&oldid=- (Version vom 1.8.2018)