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dem Kopf trug er einen schwarzen Schleier, und in der Hand einen metallenen Triangel, dem er mit einem Stäbchen melodische Töne entlockte. Und auch bei dem Professor, der den indischen Dionysos darstellte, in purpurrotem Gewand mit Weinlaubkranz und einem langen goldenen Stab. Beim Tanzen raste er wild daher, und seine Augen rollten, mir fiel auf, daß er eigentlich ein schöner Mann ist mit seiner mächtigen Gestalt und dem dunkeln Bart. Er schien auch vielen Frauen gut zu gefallen, und er sah sie alle mit verzückten Blicken an, und fand sie alle namenlos schön. An Rauschfähigkeit fehlte es ihm sicher nicht, und er lebte ganz in seiner Rolle, wenn man es so nennen darf. Nur bei einer kleinen Szene — Maria verfiel in einem animierten Moment darauf, an seinem ungeheuren goldenen Stab emporzuklettern — er schaute sie froh entgeistert an, hielt ihr den Stab hin, und der Stab brach in der Mitte durch. Schade, aber in diesem Moment versagte sein heidnisches Empfinden, und er wurde ärgerlich. Nach meinem Gefühl dürfte Dionysos sich nicht ärgern, wenn Bacchantinnen oder Hermaphroditen etwas entzweibrechen. Aber außer mir hat es wohl niemand bemerkt.

Den Meister sah ich zum erstenmal aus der Nähe, als Cäsar in weißer Toga und mit einem goldenen Kranz um die Stirn, — er mischte sich ungezwungen unter die Menge, und es gab ihn wirklich. Dabei

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Herrn Dames Aufzeichnungen. Albert Langen, München 1913, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Herrn_Dames_Aufzeichnungen.pdf/125&oldid=- (Version vom 1.8.2018)