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wirklick so wild zugegangen ist, aber man braucht kein Spezialist für Daktyloskopie zu sein, um nicht in der Behandlung dieser Angelegenheit und der knappen militärischen Form der Abwimmelung die Bertillonmaße des Reichswehrministeriums deutlich zu erkennen.

In welcher Weise wir vor der Gnadeninstanz argumentierten, wird in der ‚Weltbühne‘ noch, durch dokumentarisches Material belegt, dargestellt werden, so daß sich die Leser selbst ein Urteil bilden können. Das Eine indessen sei versichert: wir haben nicht an weiche Gefühle appelliert sondern Recht gefordert, das durch ein Urteil verletzt wurde, gegen das keine Rechtsmittel geltend gemacht werden können. Das Reichsgericht ist ja erste und letzte Instanz, ein Vorzug, der mindestens dessen politischen Senat nicht zur besondern Sorgfältigkeit verleitet. Revision gibt es nicht, nur noch Wiedergutmachung durch die höchste Stelle der Deutschen Republik.

Zudem raubte uns der Zwang zur Geheimhaltung die Chance, mit journalistischen Mitteln zu arbeiten und der Öffentlichkeit unsre Sache zu unterbreiten. Hier wenigstens hat der Vierte Strafsenat äußerst solide gearbeitet und die Sorge um die Sicherheit des Reichs mit der um die eigne großzügig verschmolzen. Man hat uns zum Stummsein verurteilt. Wie ernst es damit steht, dafür nur das eine Beispiel: unsre Verteidiger waren gehalten, das schriftliche Urteil, das nur in einem Exemplar gegeben wurde, nach Kenntnisnahme wieder zu den Akten zu reichen. So blieb also nur die Anrufung der Gnadeninstanz übrig, und, wie gesagt, unsre Begründung verhallte im Vorzimmer. Zwischen uns und der Person des Herrn Reichspräsidenten stand der Herr Reichsjustizminister wie die Wand im „Sommernachtstraum“, und kaum ein Wispern wurde jenseitig gehört. Wenn sich früher im Präsidentenpalais schwierige juristische Probleme häuften, dann pflegte der selige Ebert zu sagen: „Herr Jöl wird das schon machen!“ Herr Jöl hat das auch diesmal ganz ausgezeichnet gemacht.

Über eines möchte ich keinen Irrtum aufkommen lassen, und das betone ich für alle Freunde und Gegner und besonders für jene, die in den nächsten achtzehn Monaten mein juristisches und physisches Wohlbefinden zu betreuen haben: — ich gehe nicht aus Gründen der Loyalität ins Gefängnis, sondern weil ich als Eingesperrter am unbequemsten bin. Ich beuge mich nicht der in roten Sammet gehüllten Majestät des Reichsgerichts sondern bleibe als Insasse einer preußischen Strafanstalt eine lebendige Demonstration gegen ein höchstinstanzliches Urteil, das in der Sache politisch tendenziös erscheint und als juristische Arbeit reichlich windschief.

Diesen Protest lebendig zu erhalten, das bin ich allen denen schuldig, die für mich eingetreten sind, obgleich die Umstände es verweigerten, ihnen genaue Kenntnis von der

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Carl von Ossietzky: Rechenschaft. Berlin: Verlag der Weltbühne, 10. Mai 1932, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Rechenschaft_2.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)