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Unterwerfung des Marschalls Foch unter den gewaltigen Jakobinerwillen des greisen Clémenceau endete, ist in Deutschland noch gar nicht geträumt worden. Zwar war alle paar Jahre ein unglückliches Intermezzo fällig, aber es schloß immer nur mit einem Personen- nicht mit einem Systemwechsel. Weder der Kapp-Putsch noch das Debakel der Schwarzen Reichswehr, noch die Verabschiedung Seeckts führte zu einer Revision, die die Autorität des bürgerlichen Staates im militärischen Ressort gesichert hätte. Statt dessen folgten militärische Extratouren ins bürgerlich-geschäftliche Gebiet wie die Lohmannspekulationen mit ihren phantastischen Millionenverlusten, es folgte das auch heute noch nicht wirklich aufgehellte Kapitel Canaris, dessen Schatten die ‚Weltbühne‘ in frühern Jahren wiederholt aufzufangen versucht hat. Und heute sind wir glücklich so weit, daß der General, der vom Reichswehrministerium aus über die gesamte Exekutive verfügt, sich seiner Haut wehren muß gegen Untergebene, die schon drängen, ihm die Vollmachten aus der Hand zu reißen, die ihm eine bürgerliche Regierung anvertraut hat, um sie fürderhin nicht mehr auf schwächliche konstitutionelle Rechtstitel sondern auf ein Bündnis mit dem offenen Fascismus gestützt, auszuüben.

Im Laufe dieser letzten Jahre haben die bürgerlichen Gewalten in zunehmendem Maße mit den Militärs teilen müssen, und sie sind dabei zusehends geschrumpft. Das ist auch in andern Ländern schon vorgekommen, aber einzigartig ist die Lethargie, mit der die deutschen Linksparteien das hinnehmen. Wenn sich morgen eine Offiziersjunta alleindiktierend aufmachte, so würden gewiß viele brave Liberale und Sozialisten den Nachweis beginnen, aus welchem Grunde dies das kleinere Übel ist. Die gelernten Marxisten zucken die Achseln: Das ist halt der Klassenstaat! Und die parteiamtlich vereidigten Stalinisten fügen noch hinzu, daß auch das revolutionäre Proletarial die Idee der Nation und der Wehrhaftigkeit nicht negiere, daß zum Beispiel in China… Guten Abend. Der Mann aus der Staatspartei hebt die Hände: Sehr bedauerlich! Aber was soll man denn machen —? Als vor ein paar Monaten Herr General von Schleicher die inzwischen umgekippte Frühstückstafel mit Adolf Hitler eröffnete, pries mir einer unsrer klarsten und klügsten bürgerlichen Demokraten in einem Gespräch die Weisheit Schleichers, der alles nur zum Besten der Republik tue. Im Grunde genommen also überall das Gleiche: Kapitulation vor den Militärs, die sich unter diesen Umständen natürlich wie höhere Wesen vorkommen müssen. Die Einen resignieren wortlos, die Andern ziehen mit klingendem Spiel ab. Aber sie ziehen ab.

Einmal wird der Kampf gegen die Superiorität der Militärs in der Republik wieder einsetzen. Wann —? Heute ist

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Carl von Ossietzky: Rechenschaft. Berlin: Verlag der Weltbühne, 10. Mai 1932, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Rechenschaft_15.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)