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dieselben womöglich nicht wieder hinauszulassen, so lange nicht feststand, daß kein eigener Bedarf der Einwohner darnach vorlag. Es war die bei den frühern Verkehrsverhältnissen nicht unbegründete Besorgnis vor Teuerung und Hungersnot, was dieses Bestreben veranlaßte. Die Spekulation suchte in den meisten Jahrgängen das Korn aus dem Lande hinaus in die nahegelegene getreidearme Ost- und Zentralschweiz zu entführen, und es brauchten dann nicht einmal eigentliche Mißernten einzutreten, um in den südschwäbischen Städten da und dort einigen Mangel an Brot und Korn herbeizuführen.

Obwohl Ravensburg inmitten eines Landstriches mit reichem Getreidebau gelegen ist, war der Kornmarkt daselbst nicht erheblich. Daran war die geographische Lage der Stadt schuld. Für diesen Handelszweig hätte die Stadt entweder weiter entfernt vom Bodensee oder aber viel näher daran liegen, selber Hafenplatz sein müssen. Die Kornbauern der Ravensburger Gegend führten nämlich ihr Getreide anstatt auf den Ravensburger Markt oft lieber unmittelbar an den See, nach Lindau oder Überlingen, später sogar auch nach dem kleinen Buchhorn, weil sie an diesen Orten höhere Preise erzielten. Die schweizerischen Händler konnten solche dort zahlen, weil sie da die Landfracht an den See ersparten. Dagegen war für die Umwohner der weiter landeinwärts als Ravensburg gelegenen Städte der Weg an den See doch vielfach zu weit, und so kam es, daß Biberach und selbst das kleine Waldsee sich bedeutenderer Kornmärkte erfreuten als Ravensburg.


V. [Märkte]

Die im bisherigen vorgeführte Skizze des Erwerbslebens von Alt-Ravensburg bietet somit ein nicht gerade erfreuliches Bild. Indessen befand sich die Stadt verhältnismäßig in mindestens keinem stärkern Grad des Heruntergekommenseins als die meisten andern oberdeutschen Reichsstädte, von den großen wie Ulm und Augsburg an bis herab zu Buchhorn und Isny und andern kleinsten. Die Stadtverwaltung und der ganze Zustand von Ravensburg haben sogar einen begeisterten Lobredner gefunden in den 1787 erschienenen „Briefen eines reisenden Engländers“, deren Verfasser (übrigens ein Deutscher) mit seinem Lob freilich etwas weit geht; er sagt über Ravensburg unter anderm: „Alle öffentlichen Anstalten sind besser und zweckmäßiger als in den übrigen Reichsstädten Deutschlands und als in manchen hochgepriesenen deutschen Fürstenresidenzen; für öffentliche und private Schulanstalten, für Sicherheit und Reinlichkeit, für gute Finanzverwaltung und Justizordnung, für wahre Sittenverbesserung, für Kultur und Industrie ist hier gesorgt.“

Unter den vorhin geschilderten Umständen mußte Ravensburg vorderhand sich damit bescheiden, der gewerbliche Mittelpunkt eines fruchtbaren Landstriches zu sein, und der mit Viehhandel verknüpfte Wochenmarkt bildete den wichtigsten Faktor im damaligen volkswirtschaftlichen Leben der Stadt. Er überdauerte alle Stürme und jeden Wechsel der Zeiten. Allerdings das ländliche Zufuhrgebiet des Marktes und damit vielfach auch der Absatzkreis für die städtischen Erzeugnisse engte sich nach und nach etwas ein, weil in verschiedenen andern Orten der Umgegend neue Märkte aufkamen. Einzelne von diesen erwiesen sich freilich als nicht lebensfähig und schliefen zum Teil bald wieder ein.

Besonders lästig waren für Ravensburg die Versuche, die das nahe Altdorf-Weingarten seit 1377 immer wieder aufs neue machte, um einen Konkurrenzmarkt