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Da die katholische Bevölkerung an Kopfzahl, wenn auch nicht an Besitz, bedeutend überwog und zugleich das umliegende Land ganz katholisch war, so ist klar, daß jene gleichmäßige halbscheidige Verteilung der Ämter und der konzessionierten Gewerbe sehr zum Vorteil der Evangelischen ausschlug.


IV. [Landwirtschaft]

Etwas Landwirtschaft für den Hausbedarf pflegten die meisten Handwerker der Reichsstadt nebenher zu betreiben, sie brachten sich damit leichter durch die Not der Zeiten hindurch. Etwa ein Achtel der Einwohnerschaft betrieb ausschließlich Landbau, nämlich die sogenannten Rebleute, die eine eigene Zunft bildeten. Die Stadtmarkung brachte früher eine beträchtliche Menge Wein hervor; doch bildete dieser keinen Gegenstand der Ausfuhr und des Handels, sondern konnte nur in der Weise verwertet werden, daß ihn jeder Rebenbesitzer im eigenen Hause an seine Mitbürger und an die fremden Marktbesucher im Ausschank verzapfte. Da auch im übrigen der Weinausschank in der Stadt damals von hoch und nieder stark betrieben wurde, so vermochte der Konsum mit dem Angebot vielfach nicht gleichen Schritt zu halten, trotz vorhandenen guten Willens.

Es strebten daher die ravensburgischen Rebleute darnach, von dem Wettbewerb auswärtiger Weine tunlichst befreit zu werden. Vor allem hatte man dabei im Auge diejenigen Sorten, die dem Ravensburger Gewächs einigermaßen ähnlich waren, also hauptsächlich die aus der nähern Umgebung; die Weine von jenseits des Bodensees und Rheins verbot man gewöhnlich ganz, für die übrigen fremden Weinsorten pflegte man je nach dem Ausfall des Weinherbstes zeitweilig Einfuhrsperren anzuordnen, vor allem dann, wenn in Ravensburg selber viel Wein gewachsen war. Das Merkwürdige aber ist, daß man die Sperre in der Regel nicht über das ganze Jahr erstreckte, sondern die Einfuhr während der Herbstzeit, nämlich von Michaelis bis Nikolai, fast immer frei ließ.

Dadurch ward der ausgesprochene Zweck der Maßregel, dem Ravensburger Rebbau aufzuhelfen, nahezu ganz hinfällig gemacht, indem es ja jedem, der das Nötige an Barmitteln oder an Kredit besaß, freistand, zu seinen Weineinfuhren den Zeitraum zu wählen, da der Paß offen stand. Insofern stellte diese halbe Einfuhrsperre sich mehr als eine Begünstigung der reichen Wirte dar, denn als ein Mittel, den armen Rebleuten aufzuhelfen. Dagegen führte erstens die Maßregel für die Konsumenten eine Verteuerung herbei, und zweitens, wie die Erfahrung feststellte, ward dadurch der Weinhandel unterbunden und von der Stadt fast gänzlich abgetrieben.

Erst als der Geist der französischen Revolution in den reichsstädtischen Rathäusern drohend umging und zugleich die Lehren der Nationalökonomie Adam Smiths dort Eingang zu finden begannen, hörte Ravensburg 1795 auf, solche nutzlose Weinsperren beizubehalten.

Auch dem Getreide gegenüber befolgte die ravensburgische Wirtschaftspolitik ein System der Verkehrshemmung, jedoch in einer gerade entgegengesetzten Richtung, als es bei dem auswärtigen Weine der Fall war. Während man diesen gewöhnlich von der Stadt abzuhalten suchte, ging bei den Brotfrüchten, die sich innerhalb des Herrschaftsbereichs der Stadt be- oder einfanden, das Bestreben der Obrigkeit in der Regel dahin,