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welchen, schon von vielen Zeiten her, dießfalls die besten Anstalten vorhanden sind: es wäre denn, daß große Herren Vorschub thäten, Singschulen anzulegen, in welchen die gute und echte italiänische Singart gelehret würde.

81. §.

Die Instrumentalmusik der Deutschen in den vorigen Zeiten, sah mehrentheils auf dem Papiere sehr bunt und gefährlich aus. Sie schrieben viele drey- vier- und mehrmal geschwänzten Noten. Weil sie aber dieselben in einer sehr gelassenen Geschwindigkeit ausführeten: so klangen ihre Stücke dessen ungeachtet nicht lebhaft, sondern matt und schläfrig.

Sie hielten mehr von schweren als leichten Stücken, und sucheten mehr Verwunderung zu erwecken, als zu gefallen.

Sie beflissen sich mehr, den Gesang der Thiere, z. E. des Kukuks, der Nachtigall, der Henne, der Wachtel, u.s.w. auf ihren Instrumenten nachzumachen; wobey der Trompete und der Leyer auch nicht vergessen wurde: als der Menschenstimme nachzuahmen.

Oefters war ein sogenanntes Quodlibet, wobey entweder in Singstücken lächerliche Worte, ohne Zusammenhang, vorkamen, oder, in Instrumentalstücken, die Sangweisen gemeiner und niederträchtiger Trinklieder unter einander gemischet wurden, ihr angenehmster Zeitvertreib.

Auf der Geige spieleten sie mehr harmonisch, als melodisch. Sie setzeten viele Stücke, wozu die Violinen umgestimmet werden mußten. Die Seyten wurden nämlich, nach Anzeige des Componisten, anstatt der Quinten, in Secunden, Terzen, oder Quarten gestimmet; um die Accorde desto leichter zu haben: welches aber bey den Passagien eine nicht geringe Schwierigkeit verursachete.

Ihre Instrumentalstücke bestunden meistentheils aus Sonaten, Partieen, Intraden, Märschen, Gassenhauern, und vielen andern oft lächerlichen Charakteren, deren Gedächtniß itzo verloschen ist.

Das Allegro bestund mehrentheils vom Anfange bis zum Ende aus lauter Passagien, da fast immer ein Tact dem andern ähnlich war, und von einem Tone zum andern, durch die Transpositionen, wiederholet wurde; welches aber endlich nothwendig einen Ekel verursachen mußte. Oefters blieben sie nicht länger als nur wenige Tacte bey einerley Tempo: sie vermischeten vielmehr, in einem Satze, bald etwas Langsameres, bald wieder etwas Geschwinderes, mit einander.

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Johann Joachim Quantz: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Johann Friedrich Voß, Berlin 1752, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Quantz_Versuch_Fl%C3%B6te_1752_Seite_327.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)